Auf dem spanischen Sklavenschiff "Amistad" befreien sich 1839 während des Transports von Kuba in die USA 53 Schwarzafrikaner von ihren Ketten und massakrieren ihre Peiniger. Nur zwei Sklavenhändler überleben – sie sollen das Schiff zurück nach Sierra Leone steuern. Die listigen Spanier manövrieren die Amistad jedoch vor die Küste Connecticuts, wo sie von einem US-Kriegsschiff aufgebracht wird. Wegen Ermordung der Besatzung müssen sich die Afrikaner vor Gericht verantworten. Wider Erwarten werden die Angeklagten in drei Prozessen freigesprochen, obwohl der US-Präsident van Buren – ein Verfechter der Sklaverei – in die Verfahren zweimal manipulativ eingreift. Das Urteil des Obersten Bundesgerichtshofs bringt den Afrikanern die ersehnte Freiheit und Heimkehr, den Amerikanern dagegen Leid und Tod, beschleunigt es doch die Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten und trägt so maßgeblich zum Ausbruch des Bürgerkrieges bei. Trotz seiner geschichtlichen Bedeutung scheint der Fall "Amistad" im Bewusstsein der US-Bürger kaum verankert zu sein, wie Debbie Allen, Initiatorin und Produzentin von Steven Spielbergs Film, berichtet: "Ich war begeistert davon, dass dies wirklich passiert war, aber gleichzeitig fühlte ich mich hintergangen und betrogen, denn in der Schule hatte man mir nie davon erzählt."
Wie in
Schindlers Liste vermittelt Spielberg in
Amistad die authentische Geschichte einer wundersamen Rettung aus höchster Not weitgehend aus der Perspektive eines 'Helden'. In dem Oscar-gekrönten Epos bewahrte der Unternehmer Oskar Schindler rund 1500 Juden vor dem Vernichtungslager, während hier der mutige Afrikaner Cinque für sich und seine Leidensgenossen kämpft. Die Fronten in diesem Machtkampf sind klar getrennt. Auf der Seite der Guten stehen neben Cinque und den Afrikanern die Abolitionisten, die den Rechtsanwalt Baldwin anheuern, sowie Ex-Präsident Adams, der erst nach langem Zögern zur Hilfe bereit ist. Auf der Seite der Bösen agieren neben den Sklavenhändlern der skrupellose Ankläger Holabird und der korrupte Staatspräsident, der um die Stimmen der Sklaven haltenden Südstaaten bangt, die seine Wiederwahl sichern sollen. Trotz seines Hangs zur Schwarzweiß-Zeichnung bei der Figurenkonstellation gewährt Spielberg einigen Charakteren Raum zur Entwicklung. So kommt der Verteidiger Baldwin – ein Spezialist für Immobilienrecht – erst durch den unumgänglichen Gedankenaustausch mit den Afrikanern zur Einsicht, dass es sich bei ihnen nicht um 'Ware' handelt. Im Vergleich zu manchen Protagonisten des "Schwarzen Kinos" wie Spike Lee vermeidet die Regie eine ideologisierende Heroisierung: Eine Rückblende zeigt, wie die Schwarzen von Angehörigen anderer Stämme gefangen und an weiße Händler ausgeliefert wurden. Ausgezeichnet herausgearbeitet hat Spielberg in dem prominent besetzten und eindrucksvoll gespielten Drama, wie wichtig die Fähigkeit zur Kommunikation im politischen Ränkespiel und sogar für das Überleben ist.
Problematisch an der überlangen und musikalisch überfrachteten Inszenierung erscheint vor allem der Umgang mit der Gewalt. Das Massaker der rebellierenden Sklaven wird mit all seinen Brutalitäten unnötig ausführlich gezeigt. Es verwundert umso mehr, dass im späteren Rechtsstreit der Umstand keine Rolle mehr spielt, dass die Aufständischen zu ihrer Befreiung fast alle Besatzungsmitglieder töteten. In den Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung rückt vielmehr die Frage, ob die Angeklagten in Kuba geboren wurden und damit nach damaligem US-Recht legale Sklaven waren oder ob ihre spanischen 'Besitzer' sie illegal aus Westafrika entführt haben. Dementsprechend wird aus dem anfänglichen Sklavendrama schon bald ein Court-Room-Film mit den genreüblichen dramaturgischen Implikationen und einer gehörigen Portion Patriotismus.
Wichtiger als die vordergründigen Wortduelle vor Gericht sind die ausgetragenen Konflikte im Hintergrund um Grundwerte des demokratischen Systems wie Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenwürde. Mehr noch: Im paradigmatischen Ringen zwischen Anhängern und Gegnern der Sklaverei tritt der grundsätzliche Antagonismus von Macht und Moral zu Tage. Parallelen zum Hier und Heute drängen sich auf: Machtmissbrauch, Korruption und organisierte Kriminalität, aber auch die Notwendigkeit, die Prinzipien der Demokratie streitbar zu verteidigen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.03.1998