Interview
... keine Zeit für Helden
Ein Gespräch mit Peter Fonda
Das Interview führte Frauke Hanck.
Interviewpartner: Peter Fonda
Von Ihrer berühmten Rolle in Easy Rider führt ein direkter Weg zu Ulee Jackson in Ulee's Gold. Captain Amerika ist zum eigenbrötlerischen Großvater geworden. Reizte Sie besonders dieser Aspekt der Rolle?
Ich habe in meiner langen Karriere nie ein so bewegendes Drehbuch gelesen. Ulee ist eine sehr komplexe Figur, er hat natürlich etwas vom älter gewordenen Captain America. Seine Vietnam-Erfahrungen haben ihn zum Einzelgänger gemacht, obwohl er gewissermaßen mit seinem Bienenvolk lebt und mit dieser Arbeit die Tradition der Väter weiterführt. Aber er muss sich um die zerrissene Familie kümmern, und dieser Zwang gefällt ihm nicht.
Er entwickelt aber Verantwortungsbewusstsein?
Er hat es – beispielsweise für seine Bienen. Andernfalls würde er die familiären Missstände gar nicht bemerken. Er muss diese Probleme bewältigen und wieder zu sich selbst finden. Er kommt mir vor wie ein Mann mit einem Eimer voller Träume und einer Schaufel, mit der er im Sumpf seine Träume begraben will. Dieser Gefahr kann er zum Glück gerade noch entgehen, indem er soziale Verantwortung übernimmt und an ihr wächst.
Ist Ulee's Gold ein Film über die Bedenklichkeit von Eskapismus?
Auch, aber vor allem ein Film über Toleranz und Respekt – über die Liebe. Regisseur Victor Nunez, der auch Drehbuch, Kamera und Schnitt besorgte, ist ein hochtalentierter, sensibler Mann, ein wirklicher Autorenfilmer. Im Mainstream-Hollywood ist das natürlich ein Schimpfwort, aber ich habe die Arbeit an diesem Independent-Film genossen, weil Nunez die Gabe besitzt, sein Talent auf die gesamte Filmcrew auszustrahlen. Das macht die vielen eigentlich einfachen Situationen der Geschichte so komplex und vielschichtig. Ulee's Gold ist eine geografische und gedankliche Reise ähnlich wie bei Odysseus in der griechischen Mythologie.
Spielt Ulees Vietnam-Erfahrung für seine Zurückgezogenheit und Wortkargkeit eine Rolle?
Vietnam ist in Amerika immer noch ein Trauma und wird es auch noch einige Zeit bleiben. Ulee hat sich nach diesen Kriegserfahrungen zum konsequenten Pazifisten entwickelt. Er ist kein Rambo, schon gar keine simple Macho-Kinofigur. Wir haben heute keine Zeit für Helden oder große heroische Taten. Der Begriff müsste wahrscheinlich neu definiert werden; es geht heute eher um Anti-Helden – und in diesem Sinn ist Ulee wirklich heroisch.
Sie sind mit einem übermächtigen Vater aufgewachsen. Gibt es Parallelen im Film zu Ihren eigenen Erfahrungen?
Ich habe mich an vieles wieder erinnert. Mein Vater hatte nach dem Tod meiner Mutter und eigentlich auch schon davor keine besondere Beziehung zu mir und meiner Schwester Jane. In einigen Momenten der Geschichte sah ich meinen Vater direkt vor mir, was dazu führte, dass ich mich fast unbewusst auf seinen minimalistischen Darstellungsstil einließ. Das Witzige ist, dass mein Vater sogar selbst Bienenstöcke besaß. Es bleibt allerdings die Frage, ob mein Vater Ulees Stärke aufgebracht hätte, wenn seine Kinder dramatisch vom ordentlichen Weg in der Gesellschaft abgekommen wären.
Von Easy Rider zu Ulee's Gold – damals hatte man große Hoffnungen, die Welt ändern zu können. Liebe statt Krieg! Heute regieren oft Geld und Zynismus die Welt. Gibt es da noch Anlass zu Optimismus?
Unsere Aufbruchstimmung damals, die weltweite Begeisterung für das gemeinsame Ziel der Gewaltlosigkeit – dafür interessiert sich die junge Generation heute überhaupt nicht. Jeder ist nur ichbezogen und auf seinen Vorteil bedacht. Das ist traurig und gefährlich. Aber in Ulee's Gold sehe ich eine klare optimistische Kraft.
Autor/in: Frauke Hanck, 12.12.2006