Die Wahl-Monster
Glosse
Da steht er im Regen, der Kandidat. Wahlrede gehalten, aber Liebesaffäre entdeckt. Aus ist es mit der Polit-Karriere: Das war noch eine moralische Zeit. So etwas passierte einem der ganz Großen der Leinwand: Charles Foster Kane in Citizen Kane. Ein Menetekel, sollte man meinen. Wenn Kandidaten, Präsidenten, Politiker öfter mal ins Kino gingen, würde ihnen der Himmel womöglich seltener auf den Kopf fallen. Denn die Fantasie der Drehbuchautoren hat wohl schon jedes Fettnäpfchen vorgekostet, in dem die echten Politiker ein Ganzkörperbad zu nehmen pflegen. Zum Beispiel "Whitewater". Bodenspekulation? Alles schon da gewesen im Kino. Mr. Jefferson Smith ging nach Washington und wäre beinahe gestürzt über die spekulativen Machenschaften eines Senatskollegen. Aalglatte Selbstinszenierung, populistische Polterei, das fingierte Attentat als Mittel der Wahlpropaganda – Bob Roberts war darin Meister, der rechtsradikale Folksänger auf seinem Weg in den Kongress. Oder war das nicht doch ein schwaches Drehbuch im Vergleich zu dem, das kurz vor dem Start des Roberts-Films in der Kieler Staatskanzlei verfasst worden war? Damals wurde "der Mann fürs Grobe" ein Begriff. Inzwischen ist er in der Verkörperung von Robert de Niro zum Filmhelden geworden: Wag the Dog – wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt!
Aber Halt: Wer schreibt nun eigentlich von wem ab – die Drehbuchautoren von der Wirklichkeit oder der politische Alltag vom Kino? Womöglich reicht die Einbildungskraft hochbezahlter Hardcore-Schreiber im Hollywoodgeschäft gar nicht an die Routine von Pressereferenten und Präsidentenberatern heran. Vielleicht gehen deswegen Politiker aller Couleur so selten ins Kino: Sie langweilen sich bloß über das, was den Normalzuschauer schaudern lässt. In ihren Vorzimmern wird der bessere Thrill produziert, man denke etwa an ehemalige Regierungchefs im schönen Italien gegenüber so harmlosen Italo-Politthrillern wie Knallt das Monstrum auf die Titelseite. Außerdem verunsichern solche Filme die Regierenden nur in der Ausübung ihrer Amtspflichten. Im Kino müssen korrupte Politiker nämlich zurücktreten. Und das hat mit politischer Lebenserfahrung nicht immer etwas zu tun.
Autor/in: Herbert Heinzelmann, 12.12.2006