Einführung
Ein Silberstreif?
In den letzten Jahren schwammen viele deutsche Filmemacher auf der Komödienwelle und schienen damit auch den Geschmack des Publikums getroffen und seine Unterhaltungsbedürfnis abgedeckt zu haben. Manche eiferten aber auch dem US-Amerikanischen Mainstream-Kino nach, um zu beweisen, dass sie im Genre-Kino nicht schlechter als die Amerikaner sind. Das aktuelle deutsche Kino erschöpft sich aber keineswegs nur in Komödien und Genre-Filmen. In dieser Themenausgabe werden daher mehrere Filme vorgestellt, die (stellvertretend) für neue Entwicklungen und Strömungen im deutschen Film stehen. Damit soll nicht behauptet werden, sie stünden einzigartig in der deutschen Filmproduktion – es sind vielmehr Versuche, aus eingefahrenen Gleisen inhaltlicher und formaler Art auszubrechen.
Die ausgewählten Filme möchten mehr von der sozialen Realität des Landes vermitteln, aber auch eine differenzierte Sicht des dunkelsten Kapitels der deutschen Vergangenheit ermöglichen und eine neue Annäherung an das Thema des Nationalsozialismus wagen – eine Annäherung, die wieder verstärkt von deutschen Filmemachern selbst geleistet und nicht mehr nur ausländischen Filmemachern überlassen wird, die mit ihren Filmen vorwiegend die Diskussion vorangetrieben haben. Mit aus deutscher Sicht bisher nicht gestellten Fragen lassen sich auch andere Antworten bekommen. Dabei findet keine abgetrennte und von der Gegenwart isolierte Betrachtung der Vergangenheit statt, sondern werden Verbindungen zu unserer Wirklichkeit hergestellt, die Vergleiche provozieren, einen anderen Zugang ermöglichen, wiederum soziale Realität vermitteln – und im Einzelfall auch zu heftigen Kontroversen führen mögen. Ob diese Filme mehr als ein Silberstreif am Horizont sind und der deutsche Film und mit ihm das Publikum damit endlich seine Berührungsängste vor der sozialen Realität des Landes abgelegt hat, wird sich erst erweisen müssen.
Autor/in: Holger Twele, 11.12.2006