Hintergrund
Privatsphäre
In Zeiten von "Big Brother" scheint der Begriff "Privatsphäre" einem ständigen Wechsel unterworfen. Wenn die Offenbarung privatester Details in Talkshows und einschlägigen Veröffentlichungen zum Alltag gehört, stellt sich oft die Frage, ob es überhaupt noch eine schützenswerte Privatsphäre gibt. Dennoch wird ihr Schutz von Gesetz und Rechtsprechung sehr ernst genommen. Die Palette reicht vom Datenschutz über den Schutz des Briefgeheimnisses bis zum so genannten Recht am eigenen Bild und dem Schutz vor Verleumdung und übler Nachrede. Wird gegen diese und weitere Gesetze verstoßen, stehen dem Geschädigten zahlreiche rechtliche Möglichkeiten offen, mit denen er Unterlassung, Genugtuung oder Bestrafung des Schädigers erreichen kann.
Szene aus dem Film "Rufmord - Jenseits der Moral"
Öffentliches Informationsinteresse
Im Lauf der Jahre hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, nach denen Personen des öffentlichen Interesses diesen Schutz nur in eingeschränktem Maß genießen. Wer im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, etwa wegen seiner Herkunft oder seiner besonderen Rolle in Politik, Wissenschaft, Kunst und Medien, muss sich ein gesteigertes Interesse an seiner Person gefallen lassen. Denn auch die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Informationsinteresse, das aber nicht schrankenlos ist. Selbst Personen des öffentlichen Interesses haben grundsätzlich einen Anspruch auf absoluten Persönlichkeitsschutz, soweit ihre Privat- und Intimsphäre betroffen ist. Würde man ihnen hier rechtlichen Schutz mit Hinweis auf das öffentliche Informationsinteresse versagen, gäbe es keinen Raum zur freien Persönlichkeitsentfaltung mehr.
Schutz der Intim- und Privatsphäre
Nicht nur das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre können im Einzelfall einen Rechtfertigungsgrund für Veröffentlichungen darstellen, mit denen der Betroffene nicht unbedingt einverstanden ist. Diese Güterabwägung ist oft schwierig; die Intimsphäre (dazu gehört die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit allen nach außen tretenden Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Gesundheitszustand, Sexualleben) genießt grundsätzlich absoluten Rechtsschutz. Auch die Privatsphäre – das Leben im häuslichen und familiären Bereich und auch dort, wo der Betroffene deutlich gemacht hat, dass er einen bestimmten Bereich als Privatbereich betrachtet, ist immer noch relativ geschützt. Es muss auch der Person des öffentlichen Interesses vorbehalten bleiben, in welcher Weise sie sich in der Öffentlichkeit darzustellen wünscht. Dennoch kann hier eine wahrheitsgemäße Veröffentlichung von Tatsachen gerechtfertigt sein, wenn aus besonderen Gründen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit schwerer wiegt als der Schutz der Privatsphäre. Gerade hier haben die Gerichte aber enge Grenzen gezogen, wie in den Urteilen, die Caroline von Monaco vor wenigen Jahren zu ihren Gunsten erstritten hat.
Individualsphäre
Am wenigsten geschützt ist die Individualsphäre, also die persönliche Eigenart eines Menschen in der Beziehung zum öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben. Gerade hier spielt das Verhalten des Betroffenen eine besondere Rolle: Wer sich öffentlich darstellt, muss einstecken können, und zwar bis hin zu scharfer Kritik. Handelt es sich bei der Veröffentlichung um eine ehrenrührige, aber wahre Tatsache, so neigen die Gerichte dennoch dazu, dem Schutz der Intim- oder Vertraulichkeitssphäre den Vorrang zu geben, es sei denn, ein – sachliches – Anliegen rechtfertige das öffentliche Interesse an eben dieser Information. Dieses Anliegen wäre sicherlich nicht gegeben, wenn ein im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehender Politiker in seiner Jugend eine wie auch immer geartete Verfehlung begangen hat, schwul ist, oder seine Haare färbt. Sicher aber wäre das öffentliche Interesse zu bejahen, wenn ein Politiker jahrelang als Informant der Stasi gedient hat.
Güterabwägung
Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung ist letztlich immer, ob das sachliche Anliegen einer Veröffentlichung höher zu bewerten ist, als die in einer solchen Veröffentlichung liegende Bloßstellung des Betroffenen. Darüber entscheiden die Gerichte im Einzelfall; ihre Sanktionen gehen, wenn denn die Kränkungen stärker wiegen als das Informationsinteresse, von der Verpflichtung zur Gegendarstellung über verschiedene andere Maßnahmen bis hin zum Schmerzensgeld. Auch wenn Medien gelegentlich unzulässige Veröffentlichungen wagen, in der Annahme, dass der Betroffene schon nicht den Rechtsweg beschreiten werde, oder dass die erwarteten Einnahmen aus der Steigerung der Auflage oder der Zuschauerquote die zu erwartenden Sanktionen übersteigen, haben zumindest die oben erwähnten Urteile für Caroline von Monaco dafür gesorgt, dass die Sanktionen heute in einer Höhe angesetzt werden, die die Medien eventuell zu einem vorsichtigeren Umgang mit solchen Veröffentlichungen veranlassen.
Autor/in: Simone Lepetit (Rechtsanwältin), 21.09.2006