Das Interview führte Margret Köhler.
Sherry Hormann (zweite von links) bei den Dreharbeiten
Ausgerechnet als Frau einen Film über Fußball und Homosexualität zu drehen: Gehört da Mut dazu?
Ich hatte von beidem keine Ahnung, weder von Fußball noch von Homosexualität. Das war auch das Verlockende, geht es doch hauptsächlich darum, den Mut zu haben, zu sich selbst zu stehen und etwas Unmögliches zu schaffen. Dafür boten sich zwei Dinge, die so gar nicht zusammen passen, herrlich an.
In den 1970er und 80er Jahren waren "Schwulenfilme" oft larmoyant, spektakulär oder kämpferisch. Männer wie wir ist dagegen humorvoll und voller Leichtigkeit. Ein neuer Trend?
Es liegt in der Luft, mit einer anderen Selbstverständlichkeit auf sich zu schauen, auch durch die 90er Jahre mit ihrer Androgynität, der Grenzaufbrechung zwischen den Geschlechtern, wobei sich die Akzeptanz von Homosexualität auf dem Land und in der Stadt unterscheidet. Heterosexuelle Männer lackieren sich inzwischen auch die Nägel und kaum jemand regt sich auf. Den ersten Impuls brachte die Musik, meistens der Trendsetter. Der Film folgt, wenn die Spuren schon aufgeweicht sind. So konnte ich die Hauptrolle mit Maximilian Brückner besetzen, der überhaupt nicht dem Klischee eines Homosexuellen entspricht, sondern mehr dem netten Jungen von nebenan. Er strahlt so eine Unschuld aus und hat das richtige Aussehen für einen Helden, er ist wie alle und darum geht es. Es ist ganz egal, ob homo- oder heterosexuell, androgyn oder was auch immer: Hauptsache, du findest heraus, wer du selbst bist. Und dann entwickelst du Bärenkräfte. Erst wenn wir authentisch sind, fangen wir an, aufzublühen und uns zu begreifen.
Gab es Schwierigkeiten bei der Suche nach Schauspielern?
Wir erhielten extrem viele Absagen, auch von Schauspielern, bei denen ich es nicht erwartet hätte. In unserem Land sind wir so damit beschäftigt, ein Image von uns aufzubauen, dass sich einige wohl nicht trauten. Das Casting war kompliziert, weil die Jungs obendrein noch Fußball spielen sollten. Gott sei Dank stand mir mit Fußball-Choreograph Uli Weidenbach ein Experte zur Seite. Ich habe mir im Büro auf die Figuren die Gesichter der Schauspieler aufgeklebt und überlegt, wer wo was spielt.
Wie haben Sie sich bei dieser Horde von Männern als Regisseurin Respekt verschafft?
Inzwischen spielt es keine Rolle mehr, ob Regisseurin oder Regisseur, wichtig sind Autorität und Glaubwürdigkeit. Eine Regisseurin sollte nicht versuchen, unbedingt männlich zu sein, dann ist sie wieder verbogen. Die inszenatorischen Szenen zu drehen, war kein Thema. Aber in dem Moment, wo die Jungs den Ascheplatz betraten, blühte das Testosteron und ich war plötzlich die Frau, die keine Ahnung hat. Da half wirklich nur noch Trillerpfeife und Megaphon. Es war wie in einem Stierkampf.
Ein Türke, der ganz locker mit seiner Homosexualität umgeht, ist dieses Verhalten realistisch?
Es gibt solche und solche Türken. Da müssen wir uns von unseren Klischees befreien. Ich wollte wirklich sattelfest in den Film gehen und habe versucht, alles genau zu recherchieren. Wie gehen Moslems mit Homosexualität um, wie Borussia-Fans. So wie es männliche und weibliche Frauen gibt, gibt es tolerante und extrem konservative Türken wie in
Gegen die Wand. Darsteller Billey Demirtas berichtete mir von einem homosexuellen Cousin, der von der Familie komplett akzeptiert wird. Nur sollte man das Bekenntnis nicht groß vor sich hertragen.
Wie lief die Vorbereitung zu den Dark-Room-Szenen?
Ich habe völlig naiv Dark-Room-Besitzer gefragt, ob sie mir Literatur empfehlen könnten. Die haben sich natürlich kaputt gelacht. Dann erhielt ich die Erlaubnis, Kölns größten Dark-Room zu besuchen, aber nur als Mann. Erst fühlte ich mich gebauchpinselt, weil ich da als erste Frau hinein durfte, dann bekam ich Bammel und bin mit drei Jungs losgezogen. Ich fand mich supercool mit meinem Kapuzenhemd, aber nach 15 Minuten schrie einer: Huch, da ist eine Frau! Der Darkroom-Besitzer hat dann mit ihm geredet. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, dadurch habe ich viel gelernt. In diesen Clubs findet man viele Männer, die sonst ihre Homosexualität nicht ausleben dürfen oder können, nicht nur die überzeugten Lederschwulen. Besucher kommen oft vom Land, nehmen sich ein Wochenende frei, um einfach mal das zu sein, was sie sind. Ein Großteil der Klientel will nicht unbedingt die Sau rauslassen, sondern hält sich am Bierchen fest und hofft, endlich entdeckt zu werden.
Und wie war das Drehen mit elf nackten Männern im engen Umkleideraum?
Ich habe gelernt, Klartext zu reden und frage ganz direkt: Wie viel Zentimeter von dir darf ich zeigen? Dass man über Nacktheit redet wie über ein Schnitzel, irritiert natürlich, macht aus dem heiklen Ganzen aber etwas völlig Sachliches. Mich erinnerte die Szene an eine Schulklasse: Der Lehrer sagt, wer sich auszieht. Der erste ist dann der Held, die anderen folgen: ein Gruppeneffekt.
Sherry Hormann (links) bei den Dreharbeiten
In Ihrem nächsten Film wechseln Sie von der Komödie zum Drama.
Ich schreibe gerade das Drehbuch zur Verfilmung des Bestsellers "Wüstenblume" von Waris Dirie in enger Zusammenarbeit mit der Autorin. Ein schwerer und sensationeller Stoff. Auch da dreht es sich wieder darum, dass ein Mensch an die Öffentlichkeit geht und etwas sagt, was bislang keiner hören wollte, in diesem Fall die harte Wahrheit über die Beschneidung afrikanischer Frauen.