Schwulsein, in Großstädten längst toleriert, ist auf dem Land immer noch ein Problem. Sherry Hormann geht dieses Thema mit einem guten Gespür für Situationskomik in lockerer und unterhaltsamer Form an und verbindet in ihrem Film Homosexualität und Fußballsport. Was auf den ersten Blick gegensätzlich scheint, entwickelt sich im Verlauf der Handlung zu einer spannenden Kombination. Jungbäcker Ecki, ein leidenschaftlicher Balltreter, arbeitet im Familienbetrieb des Vaters im münsterländischen Boldrup. In dem kleinen konservativen Ort hat alles seine gewohnte Ordnung. Als Ecki im Tor des lokalen Fußballclubs seiner Mannschaft den Aufstieg vermasselt und sich, einem Impuls folgend, als Schwuler bekennt, werfen ihn die strammen Vereinskameraden raus. Der Vater schämt sich erst einmal ob der "Schande", die Dörfler zerreißen sich genüsslich den Mund, nur die Mutter hält zu ihrem Sohn. Ecki schwört in seiner Riesenwut Revanche und will es seinem alten Verein binnen vier Wochen mit einer schwulen Mannschaft heimzahlen. In Dortmund quartiert er sich bei der Schwester ein und macht sich in Kneipen, Darkrooms und Dönerläden auf die Suche nach schwulen Fußballern. Auf einem heruntergekommenen Ascheplatz wird hart trainiert. Bis die bunte Truppe, darunter zwei Brasilianer, ein Türke, ein großmäuliger Borussia-Dortmund-Fan und einige Lederschwule, den Heteros ihre Fußballkünste vorführt, steht sie mehr als einmal knapp vor dem Auseinanderbrechen.
Vor und nach dem Coming-out
Sherry Hormanns Film unterhält mit rasanten Fußballszenen, witzigen Dialogen und kleinen persönlichen Geschichten. Trotz der guten Laune, die hier verbreitet wird, werden die Schwierigkeiten nicht unter den Teppich gekehrt. Ecki hat sich zwar geoutet und lernt einen jungen Zivi kennen, muss aber erst einmal lernen, auch vor anderen zu dieser Beziehung zu stehen. Und beim "ersten Mal" kämpft er mit ähnlichen Unsicherheiten wie ein Hetero. Fast tragisch erscheint die Figur des geschiedenen Vaters Rudolf, der inzwischen mit zwei Männern zusammenlebt, aber weiterhin den ihm von der Mutter verbotenen Kontakt zu seinem Sohn sucht und Verantwortung für ihn übernehmen will. Differenziert zeichnet die Regisseurin die Annäherung des emotional hin und her gerissenen Vaters und des Jungen, der seinem in Eckis Team spielenden Vater erst abweisend gegenüber steht und ihn einen "Loser" nennt, weil er nichts zustande bringe, aber auch, weil er unter dem Verlust des Vaters leidet. Am Ende ist der Sohn aber stolz auf seinen Vater und feuert ihn an, sein Bestes im Spiel zu geben. Das wirft einen Hoffnungsschimmer auf ein zukünftig von Liebe und Achtung geprägtes Vater-Sohn-Verhältnis.
Überwindung von Vorurteilen
Die einzelnen Charaktere werden zunächst alle in ihrer Gebrochenheit dargestellt. Herausragend ist der desillusionierte Fußballer Karl, der nur noch am Tresen der einstigen Vereinskneipe herumhängt und sich in Zynismus flüchtet, nachdem er seine Mannschaft einmal um den Sieg gebracht hatte. Dieses Trauma lässt ihn auch Jahre später noch nicht los. Zunächst betrachtet er die schwulen Männer mit Skepsis, übernimmt dann jedoch die Aufgabe des Trainers und schenkt ihnen dabei nichts. Schlussendlich muss der schweigsame Coach anerkennend feststellen, dass die Jungs doch ganz nett und "normal" sind, auch wenn ihm Duftbäumchen im Umkleideraum und Prosecco-Schlürfen nicht ganz geheuer sind. Eine andere Wandlung macht der Borussia-Fan Jürgen durch: Mit seinen Kumpels an der Theke klopft er Macho-Sprüche, folgt aber heimlich dem Angebot von Ecki zum Fußballspielen und schafft es später, den alten Freunden seine Homosexualität zu gestehen. Alle Protagonisten fechten innere und äußere Kämpfe aus, bis sie den Mut finden, ihre sexuelle Neigung zu offenbaren. Dieser manchmal schmerzhafte, befreiende Bewusstwerdungsprozess gibt ihnen neues Selbstvertrauen.
Homos und Heteros
Interessanterweise sind es wieder die Frauen, die weniger Vorurteile als die Männer pflegen. Nicht nur Eckis Mutter oder die Clubwirtin mit ihrem Pragmatismus, auch Eckis Schwester akzeptiert seine Homosexualität, selbst wenn sie einmal ziemlich sauer fragt: "Warum muss eigentlich jeder coole Typ scheißschwul sein?" Dass mit der Schwester und einem vermeintlich Schwulen zudem noch eine Hetero-Liebesgeschichte erzählt wird, dient nicht nur der Auflockerung, sondern stellt ein dramaturgisches Gleichgewicht her. Besonders beeindruckend sind allerdings die Darsteller, vor allem Maximilian Brückner in seiner Naivität, der so gar nicht dem Typus eines jungen Homosexuellen entspricht, Rolf Zacher als stoischer Zyniker, dem das Leben Wunden geschlagen hat und der erst spät Toleranz lernt, Christian Berkel als schwuler Vater, der in berührenden Momenten unter der harten Schale Verletzbarkeit durchscheinen lässt und versucht, zwischen seinen beiden Leben eine Balance zu finden.
Persiflierte Rollenbilder
Hormann nutzt die bewusste Überzeichnung mancher Situationen und Figuren zur Brechung von Klischees. So persifliert sie die "richtigen Männer", die Bier und Schnaps trinken, nach Schweiß riechen und mit der Faust auf den Tisch hauen, jongliert gleichzeitig mit Stereotypen des Schwulseins in Verhalten und Körpersprache. Sie stellt Rollenbilder auf den Kopf und hinterfragt sie spielerisch. Selbstfindung ist sicherlich in Wirklichkeit komplizierter als bei dieser schwulen Fußballmannschaft, deren Freunde und Verwandte das Schicksalsspiel mit Gesang und Tanz begleiten. Und im Darkroom herrschen wahrscheinlich härtere Regeln, als uns der Film glauben macht. Aber gerade durch die Leichtigkeit der Inszenierung könnte
Männer wie wir ein größeres Publikum ansprechen und zum Nachdenken bringen. Dass die Thematik als Screwball-Comedy funktioniert, ist als Zeichen beginnender Normalität zu werten. Die Botschaft: "Sei du selbst, dann bist du stark" richtet sich an Menschen jeglichen Geschlechts und jeglicher sexueller Orientierung.
Autor/in: Margret Köhler, 01.10.2004