Das Interview führte Margret Köhler.
Hermine Huntgeburth (rechts neben der Kamera) bei den Dreharbeiten zu "Die weisse Massai"
Was hat Sie an dieser Liebesgeschichte von Menschen verschiedener Kulturen gereizt?
Der biografische Roman "Die weisse Massai" ist die außergewöhnliche Geschichte einer Frau, die aus Liebe eine weit reichende Entscheidung fällt. Ich bewundere den Mut und ihre Stärke. Gleichzeitig wollte ich aber auch Aspekte hineinbringen, die in der sehr subjektiven Biografie fehlen, etwa die Position des Kriegers in der internen Gesellschaft der Samburu. Dessen Verhaltensweisen und die einer Westeuropäerin passen nicht zusammen. Das Verständnis zwischen den Geschlechtern ist schon in Europa schwierig genug, in Afrika erst recht. Andererseits wollte ich auch zeigen, warum sich der Samburu so verhält, wie er sich verhält.
Ausschlaggebend war doch wohl die sexuelle Anziehungskraft. Ist das nicht oft der Punkt, warum Frauen Gewalt erdulden?
Die Protagonistin hat sich schon durchgesetzt. Am Anfang versuchen beide, sich einander anzunähern und voneinander zu lernen – bis sich an einem gewissen Punkt ihre Eigenständigkeit nicht mehr verträgt. Ich glaube auch nicht, dass der Sex Frauen bei gewalttätigen Männern hält. Oft geht dieses Verhalten auf Kindheitserfahrungen zurück. Zwischen Carola und Lemalian ging es nicht nur um eine sexuelle Attraktion, obgleich sie die Schönheit und Perfektion des Mannes immer wieder beschreibt. Sie verspürt eine innere Verwandtschaft zu den Afrikanern. Das kann ich inzwischen auch nachvollziehen.
Wo liegt die Schwierigkeit, die Biografie einer noch lebenden Person zu verfilmen?
Produzent Günter Rohrbach und ich haben die Entstehung des Drehbuchs begleitet. Man hält sich an die Vorgaben und Ereignisse, muss aber die Handlungsstränge reduzieren und eine eigene Dramaturgie finden. Ich habe beim Drehen nicht an Corinne Hofmann gedacht, Carola wurde immer mehr zur Figur eines Films, ein eigenständiges Wesen. Wenn ich eine Figur inszeniere, muss ich sie auch emotional nachempfinden können. Ich gehe von der Figur aus, dem inneren Aufbau. Auch Lemalian kann den Lketinga in der Biografie nicht kopieren. Im Mittelpunkt steht ein Grundkonflikt. Durch Nina Hoss und Jacky Ido erhält der Film eine eigene Wahrheit und Dynamik. Romanautorin Hofmann war mit dem Drehbuch einverstanden.
Gegen die Einfachheit des Romans wirkt der Film vielschichtig.
Ich komprimiere die Geschichte, muss die Liebe aufbauen, um sie dann erschüttern oder zerstören zu können. Da zählen andere Elemente. Mir lag es am Herzen, auch die Figur des Lemalian in eine Kultur eingebettet zu vermitteln und verständlich zu machen. Bei den Samburu muss der Mann seine Frau im Griff haben, sonst katapultiert er sich gesellschaftlich ins Abseits. Eine zu selbstständige Frau destabilisiert ihn. Und im Moment größter Liebe wächst die Eifersucht, weil man weiß, was man verlieren kann.
Ist Ihrer Meinung nach die Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt?
Ich denke ja. Als Frau in der Samburu-Gesellschaft muss man eine Samburu-Frau werden, mit allem was dazu gehört, sonst entstehen riesige Konflikte und Schwierigkeiten. Die Umstände treiben sie auseinander. Beide beginnen die Beziehung mit den besten Gefühlen, aber es funktioniert eben nicht.
Schockierten Sie die patriarchalischen Strukturen?
Natürlich kann ich nicht gutheißen, dass Entscheidungen allein im Ermessen des Mannes liegen. Aber wie kann ich mir als Europäerin anmaßen, zu sagen, was richtig oder falsch ist? In der Logik der Samburu ist es sinnvoll, dass der Vater in der Hierarchie ganz oben steht und sagt, wo es lang geht. Bestimmte Sachen müssen funktionieren. Auch diese Menschen sind glücklich.
Der größte Machtmissbrauch durch die Männer sind für mich die Beschneidungsrituale. Haben Sie mal mit Frauen über die sexuelle Verstümmelung gesprochen?
Die Beschneidung ist offiziell verboten, wird aber weiter durchgeführt. Es existiert eine Bewegung von Frauen in Wamba und größeren Ortschaften, die von innen anfangen, sich dagegen aufzulehnen oder ihre Töchter nicht mehr beschneiden lassen. Verbote helfen nicht – schon gar nicht von außen. Die Art der Aufklärung kann nur ganz langsam erfolgen. Die Frau, die Lemalians Mutter spielt, engagiert sich beispielsweise gegen Beschneidung.
Warum drehten Sie an Originalschauplätzen in Kenia? Wäre es in Südafrika nicht einfacher und billiger gewesen?
Die Logistik in Südafrika wäre besser gewesen, aber unser Ziel hieß Authentizität. Die Samburu können sich in ihrer Gegend besser bewegen, fühlen sich freier. Diese Menschen mit Bussen nach Südafrika zu karren, hätte sie auch ihrer Realität entfernt. Und nicht zu vergessen: Das Licht in Kenia ist auch ganz anders.
Ist Die weisse Massai ein Film, in den Frauen ihre Freunde und Männer mitnehmen?
Das hoffe ich, aber bei Testscreenings machten wir die Erfahrung, dass auch Männer auf den Film ansprechen und ihn gut finden.
Die weisse Massai halte ich für einen Frauenstoff, der auch Männer interessiert.