Eine wahre Geschichte
In
Ein mutiger Weg inszeniert der britische Regisseur Michael Winterbottom ein rasantes Drama über den Aufsehen erregenden Entführungsfall Daniel Pearl aus der Sicht seiner Frau Mariane. Der jüdische amerikanische Reporter war am 23. Januar 2002 in der pakistanischen Hafenstadt Karachi von einer islamistischen Extremistengruppe entführt und einen Monat später grausam ermordet worden.
Der Fall löste weltweites Entsetzen aus, als die Entführer ein Video im Internet verbreiteten, das die Enthauptung Pearls zeigt. Im Mai 2002 wurde seine Leiche nahe Karachi gefunden. Der Film basiert weitgehend auf dem persönlichen Erinnerungsbuch von Mariane Pearl
Ein mutiges Herz. Leben und Tod des Journalisten Daniel Pearl (2004), das ihrem Sohn Adam gewidmet ist, der kurz nach der Ermordung seines Vaters zur Welt kam. Die französische Journalistin hat darin ihre Erfahrungen in dieser Ausnahme- und Trennungssituation verarbeitet. Zugleich würdigt sie ihren Mann als einen Menschen, der für eine Religion und Kultur überschreitende, partei- und vorurteilslose Wahrheitssuche steht. Hollywood-Star Angelina Jolie spielt Mariane als toughe Journalistin, die im sechsten Monat schwanger ist, aber trotz der tragischen Umstände einen kühlen Kopf bewahrt und das in ihrer Macht Stehende tut, um ihren verschleppten Ehemann aufzuspüren.
Entführung in Karachi
Daniel Pearl, Leiter des Südostasien-Büros des Wall Street Journal, reist einige Monate nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 in Begleitung Marianes nach Karachi, um dort eine Verbindung zwischen dem so genannten "Shoe-Bomber" Richard Reid und Mubarik Ali Gilani, einem pakistanischen Geistlichen im Umfeld militanter islamistischer Gruppen und vermutlich Al-Qaida zu recherchieren. Reid, britischer Staatsbürger, wurde im Dezember 2001 festgenommen, nachdem er versucht hatte, ein US-amerikanisches Passagierflugzeug mit einer Bombe, die in seinem Schuh versteckt war, in die Luft zu sprengen. Der Film beginnt mit dem Tag, an dem Pearl spurlos verschwindet, nachdem er sich an den vereinbarten Treffpunkt mit Gilani begeben hatte. Anschaulich beschreibt er Marianes Zustand zwischen Unruhe und Zuversicht in der Enge des Apartments, das einer Kollegin Pearls gehört und in Folge zum Hauptschauplatz des Films wird, zum Krisenzentrum, von dem aus die hektischen Aktivitäten der Terrorfahnder koordiniert werden.
Erfolglose Ermittlungen
Ein riesiger Ermittlungsapparat aus pakistanischer Polizei, FBI-Mitarbeiter/innen, diplomatischen Beratern/innen und Sicherheitsagenten/innen kommt ins Rollen. E-Mail-Kontakte und Mobilfunknummern werden überprüft, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Folterverhöre vorgenommen, bis einige der Drahtzieher gefunden sind.
Zum Apartment steht das überbevölkerte und ruhelose Karachi in Kontrast, das chaotisch und intransparent erscheint, als unheimlicher Ort in der Fremde. Dass Pearl in eine Falle gelockt wurde, wird klar, als sich eine bislang unbekannte Gruppe namens
Nationale Bewegung für die Wiederherstellung der Pakistanischen Souveränität zu der Entführung bekennt. Die Terroristen versuchen durch die Geiselnahme Pearls Gefangene im US-amerikanischen Lager Guantánamo auf Kuba freizupressen. Alle Bemühungen, sie zum Einlenken zu bewegen, scheitern – auch ein Fernsehappell Marianes und offizielle Statements, die bestätigen, dass Pearl kein Geheimdienstagent der CIA oder des israelischen Mossad sei, wie die Entführer zunächst mutmaßen.
Kultureller Brückenschlag
Michael Winterbottom ist ein politisch engagierter Filmemacher, der zudem für seine Gratwanderungen zwischen unterschiedlichen Genres bekannt ist. In Ein mutiger Weg verbindet er Anleihen aus dem Dokumentarfilm mit Thriller-Elementen. Die dynamische
Hand-Kamera von Marcel Zyskind konfrontiert die Zuschauenden unmittelbar mit dem Geschehen und folgt den Akteuren/innen hautnah – eine filmische Form, die den Eindruck von Authentizität verstärkt, aber zugleich keine Distanz zulässt. Wie bereits in Winterbottoms vorangegangenem Film stehen auch hier eine manipulative Kameraführung und Montage zur Diskussion. Wurde in dem Doku-Drama
Road to Guantanamo (2006) der Versuch unternommen, glaubwürdig zu beweisen, dass die muslimischen Gefangenen "gute Menschen" sind, ergreift
Ein mutiger Weg Partei für die Opfer und Marianes Kampf gegen Prinzipien des internationalen Terrorismus – Einschüchterung und Angst. Ihre Figur wird zum Vorbild stilisiert, während die Frage nach der realen Bedrohung durch den islamistischen Extremismus und dem Einfluss, den er auf Politik und Alltag nimmt, ausgeblendet wird. Angelina Jolie, der echten Mariane äußerlich nicht unähnlich, vermag Bewunderung und Mitgefühl zu wecken, lässt aber im Spiel emotionale Tiefen vermissen. Gleichwohl zeichnet der Film das beeindruckende Porträt einer mutigen und klugen Frau, die bis zuletzt am mit Pearl geteilten Ideal des Dialogs und kulturellen Brückenschlags festhält.
Autor/in: Susanne Gupta, 04.09.2007