Interview
"Ich habe noch nie ein Brett durchgeschlagen"
Ein Gespräch mit der dreimaligen Karate-Weltmeisterin Kora Knühmann über Kampfsport und Martial-Arts-Filme.
Beinah hätte Kora Knühmann, 1983 geboren, so wie ihre Mutter Ballett gelernt. Doch stattdessen entschied sie sich als Vierjährige für Karate – und begann damit eine überragende Karriere: 16 Mal war die Duisburgerin seitdem deutsche Meisterin und errang insgesamt sieben Europameister- und drei Weltmeistertitel im Kumite, der Kampfform des Karates. Nach der Weltmeisterschaft 2008 beendete Kora Knühmann ihre aktive Laufbahn als Wettkämpferin. Seitdem hat die einst jüngste Karate-Weltmeisterin aller Zeiten ihr Sportdiplom gemacht, leitet ein Fitness- und Gesundheitszentrum und wird ab kommendem Jahr auch als Trainerin für den Deutschen Karate Verband tätig sein.
Frau Knühmann, können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie Ihren ersten Martial-Arts-Film gesehen haben?
Ich weiß nicht mehr, wann das war. Es ist aber relativ früh gewesen. Ich glaube, dass war damals einer dieser Karate Kid-Filme mit dem Karatemeister Mr. Miyagi.
Hat Sie das damals auf irgendeine Weise beeinflusst oder beeindruckt?
Nein, überhaupt nicht – und nicht nur, weil ich zu dem Zeitpunkt bereits Karate gemacht habe. Egal, ob es Karate Kid ist oder irgendein anderer Kampfsportfilm: Was ich immer schade finde, ist, dass viele dieser Martial-Arts-Filme unter dem Deckmantel des Karate verkauft werden, obwohl sie oft gar nichts mit diesem Sport zu tun haben. Dadurch denken viele beim Stichwort "Karate" an das Zerschlagen von Brettern, an Drachenstellungen oder was auch immer. Da werden häufig ganz einfach viele Kampfsportarten gemischt, um einen Showeffekt zu erzeugen.
Sie schlagen also keine Bretter durch?
Nein, ich habe noch nie ein Brett durchgeschlagen.
Für Außenstehende ist es häufig schwierig, die verschiedenen Kampfsportarten zu unterscheiden. Welche Unterschiede gibt es denn beispielsweise zwischen Karate und Kung-Fu?
Ich bin keine Expertin im Kung-Fu. Aber es handelt sich um ganz andere Techniken und Bewegungen. Die Unterschiede sind sehr groß. Das kann man ein wenig vergleichen mit den Ballsportarten wie Handball und Fußball. Die werden beide mit einem Ball und nach einem Punktesystem gespielt, doch die Spielregeln und Techniken sind komplett anders. So hat man sich das auch bei den Kampfsportarten vorzustellen.
Welche Rolle spielen im Kampfsport Körper und Geist?
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Wenn man etwa die Europa- oder Weltmeisterschaften betrachtet, ist es so, dass alle Teilnehmer an so großen Meisterschaften ein sehr, sehr großes Können mit sich bringen. Da sind die mentale Einstellung und psychische Überlegenheit im Zweikampf dann besonders wichtig.
Was sind denn die Ziele der Kampfkunst?
Es ist eine Mischung aus vielen Aspekten. Das Schöne am Karate ist, dass es so vielfältig ist und jeder für sich das Wichtigste herauspicken kann. Was ich schwerpunktmäßig betrieben habe, ist beispielsweise der Wettkampfsport. Man kann sich aber auch dem sehr traditionellen Schwerpunkt im Karate widmen, bei dem man sich etwa mit der Entstehung des Karate oder mit Selbsterfahrung und seinem eigenen Körper beschäftigt. Darüber hinaus gibt es – auch für eine ältere Zielgruppe – Karate als Gesundheitssport, als Selbstverteidigung und natürlich zur koordinativen Entwicklung bei Kindern.
Was macht Karate besonders für Heranwachsende und deren Entwicklung interessant?
Karate ist ein Ganzkörpersport. Das heißt, dass alle koordinativen Fähigkeiten, die im Kindesalter geschult werden sollten, trainiert werden. Dazu gehört unteren anderem die Orientierungsfähigkeit, Arme und Beine zu koordinieren und Muskulatur und Ausdauer zu trainieren – aber auch das Selbstbewusstsein zu verbessern.
Kann Kampfkunst auch zur Prävention von Jugendgewalt eingesetzt werden?
Ich denke, dass Sport grundsätzlich, Karate aber im Besonderen, durchaus eine Möglichkeit zur Gewaltprävention ist. Man kann sich auspowern und lässt seine Aggressionen nicht im privaten Bereich nieder, sondern während des Trainings in einem disziplinierten Rahmen und ohne jemanden zu verletzen. Dadurch ist man dann ausgeglichener im Alltag.
Können Martial-Arts-Filme Jugendliche nicht auch zum Karate bringen – trotz des von Ihnen kritisierten Zerrbildes?
Jugendliche suchen sich ja immer Vorbilder und ich kann mir vorstellen, wenn sie beeindruckt sind, von dem was der Schauspieler kann und macht, dass sie das zum Kampfsport führt. Das kann zumindest ein Grund sein. Ich habe auch ein, zwei Leute im Verein, die sich deshalb angemeldet haben, weil sie im Fernsehen so etwas gesehen haben und dann auch selber machen wollten.
Autor/in: Sascha Rettig, freier Journalist und Filmkritiker, 20.06.2010
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.