Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können: Barry Levinsons bösartige Polit-Satire platzte beim Amerika-Start genau in die Aufregung um Bill Clintons angebliche Sex-Affaire. Obwohl
Wag the Dog schon Anfang 1997 gedreht wurde, ist der Film brandaktuell. Sogar das Bild des anonymen Präsidenten, der ein junges Mädchen in die Arme schließt, entspricht dem Foto von Clinton und Lewinsky. Denn auch der Film-Präsident soll es im Oval-Office getrieben haben – mit einer Minderjährigen. Diese Nachricht schlägt zwei Wochen vor der Wahl wie eine Bombe ein. Was liegt näher, als einen außenpolitischen Konflikt heraufzubeschwören, um die schockierte Nation von dem Skandal abzulenken? Wenn das Image des mächtigsten Mannes unter Beschuss ist, schlägt die Stunde des "spin doctors" Conrad Brean (Robert De Niro), dem Mann fürs schmutzige Mediengeschäft. Gemeinsam mit der Präsidentenberaterin (Anne Heche) lässt er sich von Hollywoodproduzent Stanley Motss (Dustin Hoffman) aus der Patsche helfen. Der ausgefuchste Medienprofi entwickelt die rettende Idee: Warum keinen vorgetäuschten Krieg mit Albanien führen? Das Land kenne in Amerika sowieso niemand, umso besser eigne es sich als Schauplatz fürs Fernsehen. Flugs heckt der Marketingstratege ein Konzept aus; mit digitalen Tricks lässt sich alles inszenieren. Bald schon weinen die TV-Zuschauer mitfühlend, wenn ein albanisches Mädel in Todesangst durch ein zerbombtes Dorf taumelt (eine unbekannte Schauspielerin vor der Blue Box) und dabei furchtbare Schreie im Hintergrund gellen (Regie-Anweisung: "Sucht mal die Anne Frank-Geräusche raus"). Das Resultat der Studioarbeit wirkt authentischer als jeder Frontbericht. Um die Stimmung aufzuwühlen, komponiert man patriotische Lieder, lässt einen der 'Boys' hinter den feindlichen Linien verschwinden und dann als amerikanischen Helden (Woody Harrelson) wieder in die Heimat kommen. Dass sich der vermeintliche GI, dem man auch noch einen publikumswirksamen Kosenamen verpasst, als psychopathischer Häftling entpuppt, stellt sich als leicht zu lösendes Problem dar. Ein toter Held rührt mehr als ein lebendiger. Die Öffentlichkeitsmaschinerie läuft wie geschmiert, einer triumphalen Wiederwahl des Präsidenten steht nichts mehr im Wege.
"Wag the Dog ist ein schneidender Blick auf die feinen Nahtstellen zwischen Politik und Unterhaltung, Meinungsmachern und Öffentlichkeit. Und wir stellen die im Amerika der Neunziger durchaus nahe liegende Frage, mit welchen ungeheuerlichen Mitteln Washington wohl versuchen könnte, die Aufmerksamkeit von einem nationalen Dilemma abzulenken – einem Sexskandal im Weißen Haus etwa." (Barry Levinson)
Barry Levinson lässt den "Schwanz mit dem Hund wedeln" (wag the dog), d. h. die Medienmacher mit der staunenden Öffentlichkeit spielen, die damit nicht mehr überprüfen und kontrollieren kann, was der 'Schwanz' macht. Angesichts der Irak-Krise und der Lewinsky-Affäre wirkt der Film besonders beklemmend, verschwinden doch die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie, ergeben sich Parallelen zwischen Realität und Fiktion. Genüsslich seziert Levinson die Wechselwirkung von Politik und Medien. Seitenhiebe auf die Berichterstattung während des Golfkrieges und die Darstellung von Politik als Variante des Showbusiness vermittelt er mit schwarzem Humor und messerscharfen Dialogen. Respektlos setzte Drehbuchautor David Mamet Larry Beinharts Romanvorlage "American Hero" um. Die Argumentation über Albanien als Gegner hört sich so an: "Warum gegen Albanien?" – "Warum nicht gegen Albanien?" – "Aber was hat Albanien Amerika getan?" – "Was hat Albanien für Amerika getan?". Die Bildsprache ist multimedial angelegt, Video-Sequenzen wurden als Nachrichten- und Werbespots in den Film geschnitten. Fulminant spielen sich die beiden Superstars Hoffman und De Niro an die Wand, wobei De Niro souverän seinem Kollegen mehr Raum lässt. Zwar hält die Spannung nicht 100 Minuten konstant an, aber wie die Manipulateure mit einem Lügengespinst die Medien überziehen und selbst die CIA überlisten, das beeindruckt durch fast erschreckende Glaubwürdigkeit.
Die Demaskierung der gewissenlosen Bildlieferanten einer gigantischen Bewussseinsindustrie präsentiert sich als gelungene Mischung aus purem Zynismus, feinster Satire und intelligentem Witz. Erschreckend auch die Rolle der moralisch abgebrühten Strippenzieher und Gerüchtestreuer im Hintergrund und die gnadenlose Abrechnung mit der TV-gesteuerten amerikanischen Gesellschaft. Dagegen wirkt
Bob Roberts noch als harmlose Ouvertüre. Die Entlarvung von Politik als Macht- und Mediengeschäft lässt die Frage aufkommen, was ist Wahrheit, was ist Lüge, fordert zur Reflektion auf, weckt Skepsis gegenüber der so genannten 'objektiven' Berichterstattung (die realiter noch nie existierte, da bereits jede Kameraeinstellung die Zuschauer manipuliert). Ende des 20. Jahrhunderts perfektionieren sich die Manipulationstechniken, wie in
Forrest Gump kann man Tote zum Leben erwecken und wie in
Wag the Dog Kriege im TV live miterleben, die keine sind. Da bleibt die vielleicht polemische Frage: War der Sexskandal im Weißen Haus vielleicht nur eine Werbemaßnahme Hollywoods? Nach diesem Film kommt man darüber ins Grübeln ...
Autor/in: Margret Köhler, 01.04.1998