Interview
Politische Verantwortung spüren ...
Im Gespräch mit Bertrand Tavernier
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Bertrand Tavernier
Was reizt Sie an Filmen mit sozialpolitischen Themen?
Ich mache mir keinen akribischen Plan, welches Problem ich aufgreife, sondern nähere mich der Geschichte über Personen. Und ich habe ein Faible für Menschen, die für eine Sache kämpfen, etwas in Bewegung setzen, ihre Umwelt verändern und sich nicht kleinkriegen lassen.
Heißt die Botschaft Ihres Films, dass man das Erziehungssystem ändern muss?
Ich will nicht alles auf den Kopf stellen, aber es gibt Dinge, die man ändern sollte – oder ganz einfach mal den Fortschritt hemmende Bürokratismen überwinden und den gesunden Menschenverstand sprechen lassen, an das Wohl der Kinder denken.
Wie kann man das Problem der "Neuen Armut" in den Griff bekommen?
Ich habe kein Rezept. Aber wenn ich schon sehe, wie eingepfercht die Menschen wohnen oder wie sie dem Druck durch Arbeitslosigkeit und Armut ausgesetzt sind, schmerzt mich das persönlich. Die Leidtragenden sind die Kinder, die Schwächsten der Gesellschaft. Welche Chancen haben die noch in Zukunft? Diese heranwachsende Generation steht auf verlorenem Posten.
Wie haben Sie recherchiert?
Zum einen lese ich Zeitung und informiere mich, zum anderen holte ich mir Ratschläge bei Sozialpädagogen, Lehrern und Mitarbeitern der Behörden. Was ich da zu hören bekam, erschütterte mich. Es ist alles viel schlimmer als man es sich vorstellen oder wie ich es in meinem Film darstellen kann.
Ist Ihr Held Daniel Lefèbre ein Träumer?
Wer nicht träumt, ist tot. Lefèbre ist ein Mann, der Verantwortung spürt und sich ihr nicht entzieht, auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlen wirkt.
Welche Verantwortung fühlen Sie als Regisseur?
Ich will nicht die Welt verbessern, aber zeigen, wie sie ist und wie sie vielleicht sein könnte. Nicht nur Filmemacher sollten politische Verantwortung spüren, sondern jeder im künstlerischen Bereich.
Autor/in: Margret Köhler, 11.12.2006