Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Adam flüchtet der jüdische Mathematiker Stanislaw Marcin Ulam Ende der 1930er-Jahren vor den Nationalsozialisten aus Polen in die USA. Dort arbeitet er zunächst als Dozent an der Harvard Universität in Cambridge. Von seinem engen Freund John von Neumann wird er nach New Mexiko eingeladen, um dort in Los Alamos an einem geheimen Projekt zu arbeiten, welches sich schließlich als das "Manhattan Projekt" herausstellt. Ulam lässt seinen Bruder zurück und wird in Los Alamos eine treibende Kraft hinter der Entwicklung von Nuklearwaffen. Spätestens nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki hinterfragt er immer stärker seine Rolle als Wissenschaftler.
Das
biografische Drama erzählt von Stanislaw Ulams Arbeit am Manhattan Projekt und seinem Anteil an der Entwicklung von Nuklearwaffen. Der Film nimmt über viele
nahe und halb nahe Einstellungen eine
subjektive Perspektive ein und bleibt konsequent bei Ulam im Exil. Anhand eines komplexen Beziehungsgeflechts wird die Entwicklung der Wasserstoffbombe als moralisches Dilemma erzählt. Ulams Ehefrau, die Mathematikerin Francoise Ulam, bringt die Entwicklung der Bombe mit der Zukunft der gemeinsamen Tochter und der Verantwortung für nachfolgenden Generationen in Verbindung. Über die enge Freundschaft zum Mathematiker John von Neumann wird die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft thematisiert und über die Beziehung zu seinem jüngeren Bruder Adam wird dargelegt, wie Ulams Handeln mit seiner polnisch-jüdischen Identität und seiner von den Nazis verfolgten und schließlich ermordeten Familie in Verbindung steht.
Im Film werden reale historische Ereignisse und Personen stark verdichtet dargestellt. Deshalb bietet sich eine weiterführende Kontextualisierung an. So kann über die Verbindung von Ulam zum Physiker und Leiter des Manhattan-Projekts Robert Oppenheimer, aber auch über die enge Freundschaft zum Mathematiker John von Neumann gesprochen werden. Was darf Wissenschaft? Anlass zu Diskussionen geben die im Film verhandelten moralischen Dilemmas. In einer
Szene vertritt Ulams Kollege Edward Teller die Auffassung, dass die Entwicklung thermonuklearer Waffen den zukünftigen Frieden sichern würde. Diese Behauptung kann mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und einer sich gegenwärtig wieder verstärkenden atomaren Bedrohung problematisiert werden. Nur am Rande stellt der Film Ulams Bedeutung für die Mathematik dar: Im Matheunterricht kann deshalb über Ulmans Beweise und das von ihm entwickelte Konzept der messbaren Kardinalzahl gesprochen werden. Der Film erwähnt die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki nur in Dialogsequenzen und zeigt keine Bilder davon. Über diese Entscheidung kann filmanalytisch diskutiert werden.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Moritz Stock, 30.05.2022, Vision Kino 2022.
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