Jakub steckt in der Krise. Er hat keine Lust, den Schuldienst anzutreten. Die Liebe zu Therese, einer verheirateten Frau, ist erkaltet. Sein Vater, bei dem er lebt, versteht ihn nicht mehr. Es führt kein Weg daran vorbei: Jakub muss sich überlegen, wo er steht und was er will. Großvaters verwilderter Garten entpuppt sich als Zuflucht. Was Jakub auch tut, das verfallene Haus und die üppige Natur reagieren darauf. Fantastische Besucher stellen sich ein. Mit moralischen Botschaften fordern sie Jakub zur Stellungnahme heraus.
Entscheidend für Jakubs Selbsterkenntnis wird aber Helene, ein ebenso erfahrenes wie unschuldiges Mädchen, das ihn bezaubert. Sie schreibt in Spiegelschrift, sie versteht sich auf die Magie des Heilens, und natürlich kann sie auch 'fliegen'. Ihre Mutter weiß das alles nicht zu schätzen. Sie hält sie für verrückt und geil. In Jakubs Leben kehrt mit Helene die Erotik zurück und gleichzeitig spürt er schmerzhaft das Gefälle, das zwischen ihr und ihm besteht. Er erliegt dieser Macht, er begehrt sie, aber sie lässt sich durch seine männliche Vernunft nicht ansprechen und schon gar nicht einfach ins Bett zerren. Statt dessen lehrt sie ihn, im Ameisenhaufen zu stehen, Äpfel zu pflücken und zu essen, die Spiegelschrift zu benutzen und vieles mehr. Das, was er bei ihr lernt, wird besonders deutlich vor dem Hintergrund seiner auf den sexuellen Vollzug reduzierten Beziehung mit Therese. Hier gibt es keine Geheimnisse mehr, keine Achtung voreinander. Jakubs Trennung von Therese fällt entsprechend rüde aus. Er erklärt ihrem eifersüchtigen Ehemann lapidar, es habe kein Verhältnis zwischen ihnen gegeben. Sie, die sich Jakub zuliebe scheiden lassen wollte, steht plötzlich als sexhungrige Lügnerin da, was ihrem Mann Gelegenheit bietet, seine Würde als Macho und seine Macht zurückzugewinnen. Bilder aus einer alten, frauenfeindlichen Welt lassen grüßen. Aggressiv verteidigt der Mann die patriarchale Ordnung gegen das emanzipatorische Interesse seiner Frau.
Die Gegenüberstellung von Therese und Helene erinnert stark an das Klischee von der Hure und der Heiligen. Erstere braucht Jakub für ihre sexuellen Bedürfnisse und wird deshalb von ihm verachtet; die andere wird von ihm verehrt und ebenfalls nicht in ihrer Gesamtheit als Frau wahrgenommen. Diese traditionellen Männerbilder von der Frau werden aber keineswegs einfach nur reproduziert. Mit Jakubs 'Erziehung' zur Empfindsamkeit und Selbsterkenntnis durch Helene ändern sich auch sein Bild von der Frau und sein eigenes Rollenverständnis. So ist dieser poetische, ganz und gar unkonventionell und sehr liebevoll erzählte Film des jungen slowakischen Regisseurs eigentlich ein Lehrstück in dreizehn Kapiteln zur Empfindsamkeit der Männer. Denn nicht nur Jakub verändert seine Einstellungen gegenüber Frauen, Natur und Arbeit. Auch sein Vater gerät in Helenes Bann und ist drauf und dran, die geordneten Bahnen eines vereinsamten Schneiders in der Stadt zu verlassen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei das Verständnis, das Vater und Sohn füreinander finden. Helene greift nie in die immer heikle Geschichte zwischen Vater und Sohn ein, ohne dabei eine Statistenrolle zu spielen. Sie ist wie der Garten sowohl das Medium als auch der gute Geist der Annäherung. Ihre gelassene 'Verrücktheit' beschert dem Vater wie vorher schon dem Sohn die Erkenntnis, dass ein erfülltes Leben nicht unbedingt nur mit Sex, Ehe und Karriere verbunden sein muss.
Autor/in: Pit Fiedler, 01.08.1996