Inhalt
Ein 11-jähriger schwarzer Junge gibt sich als der Singer-Songwriter Woody Guthrie aus. Er trägt Guthries berühmten Gitarrenkoffer mit der Aufschrift "This machine kills fascists" bei sich, sein musikalisches Talent stellt er mehrfach unter Beweis. Der Dichter Arthur Rimbaud wird von einem unsichtbaren Tribunal befragt. Der Folksänger Jack Rollins provoziert einen Skandal, als er bei einer Preisverleihung öffentlich mit Lee Harvey Oswald sympathisiert. Der Musiker Jude Quinn brüskiert beim New England Jazz & Folk-Festival seine Fangemeinde durch seinen radikalen Bruch mit der Folktradition: Rock statt Folk, E-Gitarren statt Akustiksound. Billy the Kid wird ins Gefängnis befördert und bricht wieder aus. Der Schauspieler Robbie betrügt seine Frau Claire, die Ehe wird geschieden. Was in der Aufzählung klingt wie ein Episodenfilm setzt sich zu einer Künstlerbiografie zusammen, die aus fiktiven Erzählsträngen – aus unterschiedlichen Zeiten, mit unterschiedlichen Protagonisten und in wechselnder ästhetischer Gestaltung – verwoben ist. Zusammengehalten wird dieses narrativ-visuelle Universum durch die musikalischen Kompositionen desjenigen, dessen Biografie im Film aufscheint: Bob Dylan.
Umsetzung
I'm not there von Todd Haynes ist eine fiktive Biografie im Modus einer Abwesenheitsnotiz. Der Filmtitel, zugleich Titel eines Dylan-Songs, reflektiert Haynes' Umgang mit dem biografischen Material der Künstlerikone Bob Dylan. Statt Stationen eines Lebens zu dokumentieren und Identitätsbehauptungen auszuformulieren, spielt der Film mit versprengten Referenzen an die Biografie und das Werk von Dylan. Das Rimbaud-Zitat "Ich ist ein anderer" gibt sich als filmische Strategie zu erkennen, wenn Todd Haynes den Künstler durch Darsteller verschiedenen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher Hautfarbe eher flankieren als verkörpern lässt.
I'm not there bringt geradezu in Camouflage ein Talent zur Darstellung, das den steten künstlerischen Wandel zu einem seiner Markenzeichen gemacht und als Singer-Songwriter, Rock'n'Roll-Star, Dichter, Schauspieler und Prediger einen großen Einfluss auf die amerikanische Popkultur ausgeübt hat. Zugleich fächert der Film historische Versatzstücke ebenso wie amerikanische Mythen zu einem Zeitgeist-Panorama auf.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Film ist vor allem unter ästhetischen wie identitätspolitischen Fragestellungen interessant für den Unterricht in der Oberstufe: Wie lässt sich eine Künstlerbiografie zur Darstellung bringen, ohne sie festzuschreiben? Welche künstlerischen Strategien sind dem Werk Bob Dylans angemessen und kommen im Film zur Anwendung? Und auch: Wie lässt sich der Film in seiner offenen Form beschreiben, ohne ihn auf eine Lesart zu reduzieren? Mit
I'm not there lassen sich Bezüge zu anderen Künsten und verschiedenen Denksystemen herstellen, insbesondere zur modernen und postmodernen Literatur und Philosophie.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Stefanie Schlüter, 22.01.2008, Vision Kino 2008.