Der Film basiert auf einem authentischen Fall: Anfang der 80er Jahre traten einige IRA-Häftlinge unter der Führung von Bobby Sands in den Hungerstreik. Sie protestierten damit gegen die britische Regierung unter Margaret Thatcher, die sich weigerte, sie als politische Gefangene anzuerkennen und sie statt dessen wie 'normale Kriminelle' behandeln wollte. Insgesamt starben zehn Männer an den Folgen dieses Hungerstreiks. Als sie ins Koma fielen, lastete auf den Angehörigen die schwierige Entscheidung, entweder um medizinische Hilfe zu bitten und den Hungerstreik abzubrechen oder dem Willen des Sohnes zu entsprechen und ihn damit zu verlieren. Für einige Familien war das Sterben der Söhne ein Heldentod; sie waren Soldaten und Kämpfer für ihre Idee der Unabhängigkeit Nordirlands. Dieser Konflikt spaltete nicht nur die Nation, sondern auch Familien und hat in der Erinnerung der Nordiren tiefe Wunden hinterlassen. Er dient dem Film als Hintergrund für die Begegnung zweier Frauen, die vieles trennt, die aber auch eines gemeinsam haben: Beide sind Mütter, und ihre Söhne inhaftierte und verurteilte Aktivisten der IRA. Kathleen, die betont angepasste, pazifistische Lehrerin, die sich zeitlebens aus der Politik herausgehalten hat, weiß bis zu seiner Verhaftung nichts von den IRA-Aktivitäten ihres Sohnes Gerard und kann sie später auch nicht billigen. Die nationalistisch gesinnte Bäuerin Annie dagegen unterstützt den Kampf ihres Sohnes Frank schon aus Familientradition und weil ihr jüngster Sohn von britischen Soldaten getötet wurde. In der Sorge um ihre Söhne kommen sich die unterschiedlichen Frauen ideologisch langsam näher. Kathleen beginnt unter dem Druck der unmenschlichen Haftbedingungen, unter denen ihr Sohn leidet, sich politisch zu engagieren, und Annie kommen Zweifel an ihrem blinden Hass auf alle Andersdenkenden. Dennoch bricht sie den Hungerstreik ihres Sohnes nicht ab, hofft aber gemeinsam mit Kathleen auf eine politische Lösung von Regierung und Sinn Fein. Sie sehen sich am Schluss getäuscht. Dass Kathleen ihren Sohn rettet, verurteilt Annie aber nicht. "Eine musste es tun!"
Auffallend ist, dass der Film überhaupt keine Hintergrundinformationen zum Konflikt in Nordirland liefert und dem Publikum suggeriert, der Bürgerkrieg sei zeitlos festgeschrieben bis in alle Ewigkeit. Dieser Eindruck entsteht auch durch eine Parallelmontage, in der junge Iren ein Attentat vorbereiten und durchführen, während sich gleichzeitig Mädchen zum Volkstanz treffen. Beide Ereignisse sind mit dem stampfenden Rhythmus irischer Folklore unterlegt, als wären Kampf und Tanz gleichermaßen Tradition und Normalität. Das erweckt den Eindruck, einzig britische Einflussnahme und die Anwesenheit ihrer Armee seien der Grund für Nordirlands Probleme. Zwar verschweigt der Film nicht, dass die Opfer der üblen Haftbedingungen und des Hungerstreiks auch Täter sind, die Menschenleben auf dem Gewissen haben. Aber visuell werden in eindeutiger Parteinahme die Häftlinge im Rahmen ihres "dirty protest" immer mehr zu Märtyrern. Das führt zu Irritationen, ermöglicht dem Publikum andererseits einen emotionalen Zugang zu den Figuren und bietet Diskussionsstoff.
Zu diesem 1996 mit dem europäischen Filmpreis ausgezeichneten Film gibt es ein Pendant:
Im Namen des Vaters von Jim Sheridan. Der Regisseur Terry George schrieb hierzu das Drehbuch, während Sheridan umgekehrt den Film von Terry George produzierte.
Im Namen des Vaters handelt ebenfalls von einfachen Menschen, die gegen ihren Willen in den nordirischen Bürgerkrieg hineingezogen werden. Im Mittelpunkt stand dort allerdings die Beziehung zwischen Vater und Sohn, die Ungleichheit der beiden und die Bewegung des Sohnes auf den Vater zu. In
Mütter und Söhne sucht man nach solch einer Beschreibung einer Beziehung vergebens. Hier die Mutter, dort der Sohn; was sie verbindet und was sie trennt, wird anfangs nicht gezeigt und ist später von den Haftumständen bestimmt.. Das Verhältnis der beiden Frauen untereinander ist ähnlich strukturiert. Was soll eine Beziehung denn aufbauen, wenn nicht das Gespräch, den Gedankenaustausch, an dem sich Meinungen und Haltungen reiben? Nichts von alledem geschieht zwischen den beiden Frauen. Als ob es nichts mitzuteilen gäbe in dem dramatischen Konflikt, in dem ein Mensch entscheiden muss, ob er das Recht oder gar die Pflicht hat, gegen den Willen eines anderen zu handeln, um dessen Leben zu erhalten. Oder sind es gerade diese Sprachlosigkeit selbst in der Familie, diese Beziehungslosigkeit zwischen den Menschen, das Unvermögen des aufeinander Eingehens, die bewusste und willkürliche Ausblendung eines wesentlichen Teils der Realität, die Mutter und Söhne vorrangig zu Opfern machen und zeigen, in welchem Ausmaß der Konflikt das Leben der Menschen dort bereits beeinflusst und zerstört hat?
Autor/in: Claudia Brenneisen, 01.02.1997