Eindringliche Machtstudie
In seinem ersten Spielfilm adaptierte Kevin Macdonald, der im Jahr 2000 einen Oscar für seinen Dokumentarfilm
Ein Tag im September über die Geiselnahme während der Olympischen Spiele in München erhielt, den gleichnamigen preisgekrönten Debütroman des britischen Schriftstellers und Guardian-Journalisten Giles Foden. Darin gelingt es ihm, die folgenreiche Begegnung eines naiven jungen Arztes aus Westeuropa mit dem ugandischen Diktator Idi Amin Dada zu einer intensiven Studie über die Faszination der Macht zu verdichten. Es ist der wohl schlüssigste Beitrag in der jüngsten Welle von Kinofilmen zu afrikanischen Themen. Deren Spektrum reicht von
Der ewige Gärtner (R: Fernando Meirelles; 2005),
Tsotsi (R: Gavin Hood; 2006) oder
Wer Feuer sät (R: Phillip Noyce; 2006) über
Hotel Ruanda (R: Terry George; 2004) bis zu
Goodbye Bafana (R: Bille August; 2007).
Der Berater eines Diktators
Im Mittelpunkt steht die fiktive Gestalt des schottischen Mediziners Nicholas Garrigan, die an mehrere historische Personen wie zum Beispiel den realen schottischen Leibarzt des Machthabers angelehnt wurde. Der frisch examinierte Arzt flüchtet sich 1971 vor der wenig verlockenden Aussicht, die Praxisnachfolge seines stocksteifen Vaters antreten zu müssen, nach Uganda. Fasziniert von der Exotik dieser fremden Welt, hofft er als Entwicklungshelfer in einer kleinen Krankenstation Gutes zu tun, möchte aber auch Abenteuer erleben. Als Idi Amin sich bei einem Autounfall eine Hand verstaucht, ist Garrigan als erster zur Stelle. Sein forsches Auftreten beeindruckt den General und Amin, der sich gerade an die Macht geputscht hat, beruft Garrigan zu seinem Leibarzt. Nach kurzem Zögern zieht Garrigan in eine Villa in der Hauptstadt Kampala und steigt sogar zum persönlichen Berater Idi Amins auf. Er genießt das privilegierte Luxusleben und verschließt zunächst die Augen vor den Auswirkungen der Diktatur auf die Menschen im Land. Er wagt es sogar, eine fatale Affäre mit Kay, der schönen Lieblingsfrau Idi Amins, zu beginnen. Schließlich jedoch kann er die Verbrechen des größenwahnsinnigen Machthabers nicht mehr ignorieren und muss Stellung beziehen. Nun wendet sich der unberechenbare Diktator gegen seinen einstigen Protegé.
Das Schreckensregime Idi Amins
Obwohl Idi Amin während seiner Schreckensherrschaft bis zu seinem Sturz 1979 wahrscheinlich bis zu 300.000 echte und vermeintliche politische Gegner umbringen ließ, vermeidet es Macdonald weitgehend, die verübten Gräueltaten explizit zu zeigen. Ihm geht es nicht um eine plakative Dämonisierung eines besonders perfiden Massenmörders, sondern um die Analyse der Machterhaltung. In verschiedenen Facetten schildert die Inszenierung die tragenden Säulen des Regimes: die demagogische Rednergabe des Generals, der sich aus einfachsten Verhältnissen hochgearbeitet hat, das Charisma eines gewieften Politikers, der geschickt sein Fähnchen nach dem Wind hängt, und die paternalistische Ausstrahlung eines "Vaters" aller Ugander, der sich geschickt den Nationalstolz der einfachen Leute zu Nutze macht. In der Rolle Amins liefert der US-Schauspieler Forest Whitaker das differenzierte Bild einer höchst ambivalenten Persönlichkeit, eine darstellerische Meisterleistung, die mit zahlreichen Preisen und zuletzt mit dem Oscar 2007 honoriert wurde. Wie er in Mimik und Gestik von einem Augenblick zum nächsten zwischen infantiler Weinerlichkeit und grausamen Gewaltausbrüchen wechselt und der Figur Amins damit eine verstörende emotionale Tiefe gibt, ist faszinierend und zugleich glaubwürdig.
Gefahren der politischen Passivität
Auch der politisch desinteressierte Mediziner erliegt der Faszination des Mächtigen. Er fühlt sich durch den sozialen Aufstieg geschmeichelt, genießt den Luxus und die Privilegien seines Amtes und hofft zugleich, ein effektiveres Gesundheitssystem etablieren zu können. Bauernschlau und berechnend behandelt Idi Amin den jungen Schotten fast wie einen Sohn und wiegt ihn so in trügerischer Sicherheit. Der Schauspieler James McAvoy beschreibt die charakterliche Schwäche des von ihm überzeugend gespielten Garrigan so: "Diese riesige ikonenhafte Figur sagt ihm, er sei tapfer, etwas Besonderes, habe hervorragende Ideen und dass er etwas im Land bewegen könne. Dem kann Nicholas kaum widerstehen. Diese Art von Macht ist betäubend." Die Parallelen zwischen der individuellen Passivität im Angesicht des alltäglichen Terrors und der damaligen politischen Untätigkeit der westlichen Staaten gegenüber den Massenmorden lassen sich kaum übersehen. Eine kuriose Pointe bildet die traditionsreiche Rivalität zwischen Schotten und Engländern, die der Taktiker Idi Amin geschickt ausnutzt, indem er Garrigan in seinen britenfeindlichen Vorurteilen bestärkt. Der General, der als einfacher Soldat einst von schottischen Offizieren ausgebildet wurde, pflegt nämlich ein seltsames Faible für die Schotten und ruft sich später gar zum "König von Schottland" aus.
Konfrontation mit der Wirklichkeit
Die weltpolitischen Hintergründe des Putsches, der zunächst von Großbritannien unterstützt wurde, und die Verschiebungen im internationalen Machtgefüge – Idi Amin ließ sich von der Sowjetunion Waffen liefern und vom libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi finanzieren – streift Macdonald eher kursorisch. Deutlicher werden dafür Idi Amins extremer Nationalismus, der sich 1972 in der Ausweisung zehntausender Asiaten niederschlug, und seine Hilfestellung für die Palästinensische Befreiungsfront (PLO) herausgearbeitet.
Je länger sich Garrigan im Dunstkreis des Diktators aufhält, umso schwerer fällt es ihm, die Augen vor den alltäglichen Gewalttaten zu verschließen. Schließlich muss sich Garrigan der Erkenntnis stellen, dass er durch eine falsche Verdächtigung unbeabsichtigt die Ermordung des engagierten Justizministers auslöste. Als der desillusionierte Arzt wenig später die verstümmelte Leiche seiner Geliebten findet, reift in ihm der Entschluss zum Tyrannenmord. Im Film überlebt Idi Amin ebenso wie in der Realität: Nach seiner Entmachtung ging er ins Exil nach Saudi-Arabien, wo er 24 Jahre später starb.
Autor/in: Reinhard Kleber, 08.03.2007