Am Morgen legt sich der Literaturdozent George eine Pistole und einen schwarzen Anzug bereit, um abends aus dem Leben zu scheiden. Dann beginnt er seinen letzten Tag wie jeden anderen: Er hält wie üblich seine Vorlesung, trifft eine alte Freundin zum Essen und wird immer wieder von Erinnerungen an seinen Lebensgefährten heimgesucht, der bei einem Autounfall gestorben war. Schließlich trifft er in seinem Stammlokal auf einen seiner Studenten und schöpft in dessen Gesellschaft – möglicherweise – neuen Lebensmut.
Der Modedesigner Tom Ford hat Christopher Isherwoods gleichnamige Romanvorlage aus dem Jahr 1964 in seinem Regiedebüt behutsam melodramatisiert und George mit Hilfe des
Voice-Over als Erzähler eingesetzt. Im Film wünscht sich George zunächst nichts sehnlicher, als wenigstens in Schönheit sterben zu können, und Ford scheint ihm diesen Wunsch durch ästhetische Gestaltungsfreude erfüllen zu wollen. Das morgendliche Ankleide-Ritual des Titelhelden stilisiert er zum Anlegen einer modischen Rüstung gegen die banale und hässliche Welt, während ein über die Bilder gelegter Graufilter Georges tiefe Traurigkeit illustriert. Später bringt dann das Licht der Jugend sattere Farben in den Film, bis die
Farbdramaturgie mit einer prachtvollen Abendröte dem Publikum zum ersten Mal Georges innere Abkehr von seinen Selbstmordplänen nahe legt.
Isherwood attackiert in seinem Roman die versteckte Homophobie der liberalen 1960er-Jahre und lässt seinen Helden darüber spekulieren, welche sichtbare Formen der Homosexualität die Gesellschaft zu tolerieren bereit ist. Diese Frage ist immer noch hoch aktuell und wird in Fords Adaption auf anspruchsvolle Weise verhandelt. Entsprechend eignet sich sein Film gerade für den Sozialkunde/Gemeinschaftskunde-Unterricht der höheren Klassen. Mit seiner zugleich freien (im Buch tauchen beispielsweise bestimmte Handlungselemente nicht auf) und werktreuen Adaption ist
A Single Man außerdem ein Paradebeispiel für eine gelungene Literaturverfilmung. Englisch- und Deutsch-Lehrer/innen finden hier einen komplexen Einstieg ins Thema des Medienwechsels.
Autor/in: Michael Kohler, 29.03.2010
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.