Einst galt das Ruhrrevier als Wiege der Industrialisierung Deutschlands und Motor des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik. Seit der Stahl- und Kohlekrise wird das Ruhrgebiet dagegen eher als Problemzone wahrgenommen. Wie tiefgreifend die strukturellen Veränderungen der Wirtschaft und der Arbeitsprozesse sind, die von den Bewohnern verkraftet werden müssen, zeichnet der zweifache Grimme-Preisträger Werner Kubny in seiner kenntnisreichen Kinodokumentation Abenteuer Ruhrpott nach. Im Mittelpunkt stehen die Menschen im Revier, ob Arbeitnehmer oder Unternehmer. Kubny zeigt diverse Abschiede von traditionsreichen Industrieanlagen wie den Abriss des 100-jährigen Kruppstahlwerks Rheinhausen, aber auch die Aufbruchstimmung in neu entstandenen Recycling-Firmen oder in kulturellen Initiativen. Dass Abenteuer Ruhrpott auf einer vierteiligen TV-Dokumentation beruht, lässt sich kaum übersehen. Für die 100-minütige Kinofassung wurde das vorhandene Material aber nicht nur komprimiert, sondern auch mit neuen Szenen angereichert. Anders als gängige TV-Dokumentationen verzichtet die filmische Hommage an den Ruhrpott auf erläuternde Off-Kommentare und setzt auf die Stärke der dokumentarischen Aufnahmen und die Präsenz der Ruhrgebietsbewohner. Kinogerecht ist auch der ausgefeilte Soundtrack, der typische Geräusche der Industriekultur vom alten Stahlwerk bis zum jüngsten Solarkollektor integriert. Kubny nimmt sich die Freiheit, parteiisch zu sein. Wenn er die zweifelhaften Aktivitäten konzerngebundener Wohnungsbaugesellschaften oder die eigensinnige Unternehmenspolitik traditionsreicher Stahlkonzerne angesichts der wachsenden internationalen Konkurrenz kritisch beleuchtet, stellt er sich gerne auf die Seite der so genannten kleinen Leute. Neben dem allgegenwärtigen Strukturwandel wird vor allem das Lebensgefühl der Menschen im 'Revier' beleuchtet, das schon seit dem 19. Jahrhundert eine Art Schmelztiegel der Kulturen und Nationen darstellt und seine heutige Attraktivität gerade der weitgehend gelungenen Integration vieler ehemaliger Gastarbeiter aus dem südlichen Europa verdankt.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.04.2003