Im Herbst 1941 ziehen die sowjetischen Truppen vor der heranrückenden sechsten deutschen Armee aus Kiew ab. Am Stadtrand leben seit 20 Jahren die jüdische Familie Lerner und die ukrainische Familie Oufrienko in freundschaftlicher Nachbarschaft in einem Doppelhaus. Als Gerüchte über Gräueltaten der Nazis an Juden auftauchen, wollen die Lerners die Berichte erst nicht glauben. Nach dem Einmarsch der deutschen Soldaten übernimmt der zynische und alkoholkranke Oberst Blobel die Verwaltung der Stadt. Erst als er die Deportation aller Juden anordnet, entschließen sich die Lerners zur Flucht und versuchen, ein Pferdefuhrwerk zu organisieren. Derweil erwacht in Lena Oufrienko ein aus Habgier und Angst gespeister Antisemitismus: Weil sie für ihre bald heiratende Tochter die andere Haushälfte haben will, denunziert sie die Lerners bei der Kommandantur als Partisanen. Sie weiß jedoch nicht, dass ihr Sohn Stepan, der sich in ein schönes jüdisches Flüchtlingsmädchen verliebt hat, den jüdischen Nachbarn bei der Flucht hilft. Ein SS-Trupp spürt die Flüchtlinge auf und bringt sie wie alle anderen Juden der Region zur Massenexekution in die Schlucht von Babij Jar. – Schon 1951 hatte der legendäre Berliner Produzent Artur Brauner den Plan, das Massaker von Babij Jar auf die Leinwand zu bringen, bei dem 1941 SS-Männer mit der Unterstützung von Einheimischen vor den Toren Kiews 33.771 Juden ermordet hatten, darunter auch mehrere Familienangehörige Brauners. Erst 2001 konnte der US-Regisseur Jeff Kanew in Brauners Auftrag die historischen Ereignisse am Beispiel zweier Familien aufarbeiten und das schier unvorstellbare Grauen mit teils sehr drastischen Bildern zu einer erschütternden Leidenschronik verdichten. Mehr als 20 Filme hat der 84-jährige Brauner bisher über die Nazi-Zeit gedreht. Im Unterschied zu anderen Holocaust-Filmen sollte hier nichts "beschönigt" oder "geglättet" werden. Mit der systematischen Demütigung der Opfer und dem akribisch festgehaltenen Prozess des Massenmords geht die Regie aber so weit, dass man sich als Zuschauer eher distanzieren möchte, zumal die angemessene filmische Darstellung solcher Massenmorde von vielen Holocaust-Überlebenden generell verneint wurde. Bei den konventionell dargebotenen familiären Konflikten stellt sich die emotionale Erschütterung leichter ein, obwohl Kanew und sein Autor Stephen Glantz viele Figuren allzu holzschnittartig charakterisiert haben. Sehr befremdlich wirkt bei dem in Schwarzweiß gedrehten Historiendrama die Kombination echter Dokumentaraufnahmen vom Holocaust mit nachgestellten Spielfilmszenen, zumal gelegentlich durch die Montage der irreführende Eindruck entsteht, als handele es sich bei den Opfern in den bekannten Filmdokumenten um Familienangehörige der fiktionalen Figuren. So sehr das künstlerische Risiko und die inszenatorischen Leistungen bei der ersten Auseinandersetzung mit Babij Jar in einem Spielfilm Anerkennung verdienen, überwiegt wegen der gestalterischen Mängel insgesamt ein zwiespältiger Eindruck.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.07.2003