Tommy will später studieren, sein bester Freund Sule hingegen schafft nur mit Mühe die Hauptschule. Äußerlich betrachtet könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein, doch seit der türkischstämmige Sule in der Grundschule den schüchternen Tommy bei einer Rauferei verteidigt hat, sind sie unzertrennlich: Sie feiern zusammen und betreiben einen florierenden Haschisch-Handel. Aber dann fliegt Tommys Dealerei auf und er muss für sechs Monate ins Gefängnis. Danach ist für ihn nichts, wie es einmal war: Seine Freundin hat ihn verlassen und Sule handelt mit harten Drogen. Tommy will sein Leben endlich in den Griff bekommen, aber Rückhalt findet er nur in seiner alten Clique. Als alle zunehmend in eine Spirale aus Frust, Gewalt und Drogen hineingeraten, steht Tommy vor einer schwierigen Entscheidung.
Bis aufs Blut ist eine spannende, wenn auch zuweilen klischeehaft überzeichnete Milieustudie, die ihre Geschichte aus der Mitte der jugendlichen Lebenswelten heraus erzählt. Diese Perspektive wird visuell durch eine schnelle, oft videoclip-artige
Montage betont, bei der zuweilen einzelne Bilder wie beim HipHop "gescratcht", also vor- und zurückgespult werden. Die Umwelt wirkt durch eine unterkühlte
Farbgebung abweisend, Rap-Musik als
Soundtrack verweist auch textlich auf das Lebensgefühl der jungen Männer. Die drastische Sprache der Protagonisten und explizite Gewaltdarstellungen hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck von den harten Umgangsformen innerhalb der Szene. Nach einem dynamisch geschnittenen Vorspann, der Stationen von Tommys und Sules Freundschaft festhält, beginnt die eigentlich Geschichte mit Tommys Haftentlassung, wobei einige
Rückblenden auf seine traumatische Zeit im Gefängnis verweisen.
In
Bis aufs Blut erzählt Oliver Kienle eine klassische Story über Freundschaft und Verrat und thematisiert Probleme des Erwachsenwerdens. Im Vordergrund stehen zwei junge Männer mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Zukunftsperspektiven. Dies kann Ansatzpunkt sein, um über Chancengleichheit in einer multikulturellen Gesellschaft oder im herrschenden Schulsystem zu reden. Aber auch die Folgen von Gewalt und Drogenkonsum sowie der Sinn und Wert von Freundschaft bieten gute Diskussionsmöglichkeiten. So wagt es Tommy etwa nicht, Sule seine Knasterlebnisse anzuvertrauen. Zu groß ist die Angst vor dem Gesichtsverlust. Nicht zuletzt kann der Film dazu anregen, sich mit der Geschichte von HipHop sowie mit Rollenzuschreibungen in meist männlich geprägten Subkulturen zu beschäftigen.
Autor/in: Kirsten Taylor, 04.09.2010
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.