Der Tscheche Tobias war einst als Junge aus seiner Heimat geflohen, weil er glaubte, seinen Vater umgebracht zu haben. Im schweizerischen Exil arbeitet er seit vielen Jahren in einer Uhrenfabrik. Schnöde Routine verkraftet er in der Hoffnung auf eine große Liebe: Line, seine Halbschwester und Schulkameradin. Eines Tages trifft er sie tatsächlich wieder. Doch sie ist verheiratet und Mutter eines kleinen Kindes. Wie von einem inneren Zwang getrieben setzt Tobias alles daran, seine Traumfrau zu gewinnen. Es kommt zu höchst dramatischen Ereignissen, doch am Ende steht dem Glück des jungen Paares nichts mehr im Wege. – Auf der Basis von Agota Kristofs Roman "Gestern" gelingt Silvio Soldini die bewegende Geschichte einer amour fou. In kunstvoll poetischer Verflechtung des Gegenwärtigen und Vergangenen verbindet Brennen im Wind die Themenkomplexe Liebe, Inzest und Emigration. Im Tagebuch des innerlich zerrissenen Außenseiters Tobias, der mit dem Charisma verströmenden Ivan Franek ideal besetzt ist, vermischen sich surreale Traumbilder und Erinnerungen an eine unglückliche Jugend. Dem Italiener gelingen große Emotionen ohne den berüchtigten Druck auf die Tränendrüse. An Soldinis erfolgreiche Komödie Brot und Tulpen erinnert allenfalls der Blick für das realistisch gezeichnete Umfeld einfacher Menschen. In seiner kompromisslosen Überschreitung von Tabus und Konventionen ist Brennen im Wind ein eindringliches Plädoyer für die Liebe als dem einzig wahren Sinn des Lebens.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.08.2002