Joseph Goebbels, der Anfang 1943 die Deutschen zum "totalen Krieg" aufforderte, ist als "Propagandaminister" unter Hitler unrühmlich in die Geschichte eingegangen. Dabei wollte der von Kindheit an gehbehinderte und schmächtige Mann aus Rheydt nach seinem Germanistikstudium eigentlich Dramatiker oder Journalist werden. Stattdessen geriet er als "völkischer Sozialist" schnell in den Einflussbereich seines großen Vorbilds Adolf Hitler, der ihn 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zum jüngsten Minister Europas machte. Auch Propagandaminister wollte der unter großen Stimmungsschwankungen leidende Politiker nicht werden, strebte vielmehr eine leitende Funktion in der Volksbildung und die Kontrolle über Schulen und Universitäten an. Seine Position als Außenseiter die er auch als übermächtiger Propagandist des Terrorregimes nie ganz los wurde, motivierte ihn umso mehr dazu, sich auch in der Judenfrage besonders radikal zu verhalten. 1945 beging er in den letzten Tagen des Kriegs mit Frau und Kindern im Berliner Führerbunker Selbstmord. – Lutz Hachmeister leistet mit seinem sachlich und sachkundig angelegten Dokumentarfilm das, was der Hirschbiegel-Film Der Untergang nicht vermochte: die Einbettung der Personen und ihrer zugleich individuellen wie öffentlichen Entwicklung in einen historischen Kontext. Sein Film, der bereits aus der Stummfilmzeit Archivmaterial zeigt, enthält sich jeden Kommentars, im Off ist lediglich die Stimme des Schauspielers Udo Samel zu hören, der aus den umfangreichen Tagebucheinträgen von Goebbels rezitiert. Herausgekommen ist das Psychogramm eines Opfers und grauenhaften Täters zugleich, eines unbarmherzigen Machtmenschen fast wider Willen, der wie kaum ein anderer in jener Zeit die Beeinflussbarkeit der Massen und die Rolle der Medien zu diesem Zweck erkannt und sich bis zu einer gewissen Perfektion zunutze gemacht hat. Aufschlussreich und über den Geschichtsunterricht hinaus auch für die Medienkunde besonders interessant sind hierzu Goebbels' mit Originalfilmausschnitten unterlegte Einschätzungen zu Filmklassikern jener Zeit, von Sergej Eisenstein bis Veit Harlan.
Autor/in: Holger Twele, 01.04.2005