Theo ist nach neun Jahren aus dem Maßregelvollzug entlassen worden. In einer betreuten Wohngemeinschaft soll der Sexualstraftäter resozialisiert werden. Er hat die besten Absichten, will nicht rückfällig werden. Doch es geht nicht lange gut, der Druck in Theo steigt, wenn er all die nackten Frauenkörper an den Plakatwänden oder eine hübsche Kellnerin in der Pizzeria anstarrt. "Da ist was im Anmarsch", bekennt er seinem Betreuer; dieser jedoch wiegelt ab. Doch in dem offenbar unheilbaren Triebtäter steckt auch ein einsamer Mann, der sich nach Nähe sehnt. Bei Nettie, der Tochter seines Chefs, könnte er sie finden. Denn die junge Frau verliebt sich in ihn, lässt sich von nichts schrecken, sucht nach einem Weg, wie sie ihm helfen kann.
Regisseur Matthias Glasner hat in Vorbereitung seines Filmes ausführlich zum Thema sexuelle Gewalt recherchiert. Was sich tatsächlich in einem Vergewaltiger abspiele, erklärte er, sei ihm dennoch unverständlich geblieben. Konsequent hat sich Glasner daraufhin entschieden, weder zu analysieren noch zu rechtfertigen.
Der freie Willekonzentriert sich allein auf die Figuren; er beschreibt und wirft Fragen auf. Welche Kämpfe spielen sich in einem Mann ab, der Frauen vergewaltigt? Kann es für ihn Hilfe und letztlich Erlösung durch Liebe geben? Der Hobbykampfsportler Jürgen Vogel hat sich als Co-Autor die Hauptrolle auf den Leib geschrieben: Er schwitzt und keucht, und wenn selbst nach Schattenboxen und Klimmzügen die innere Ruhe nicht einkehren will, masturbiert er ausgiebig. Seiner Offenheit und der grausamen Vergewaltigungsszenen wegen ist der Film allerdings selbst für Hartgesottene schwer verdaulich. Ob das Publikum mit emotionaler Betroffenheit oder Distanz reagiert, hängt sicher auch von persönlichen (Gewalt-)Erfahrungen jedes/r Einzelnen ab. Erklärungen für den Ursprung und die Gründe des unkontrollierten Frauenhasses gibt
Der freie Wille nicht. Dagegen erzeugt das Psychodrama eines Mannes, der mit unsicheren Schritten einem furchtbaren Kontrollverlust entgegen taumelt, eine Spannung, die sonst nur Krimis zu eigen ist. Hier allerdings lässt sich die Geschichte nicht wie bei irgendeinem Thriller einfach abschütteln. Da der Regisseur seinem Antihelden auch einige sympathische Züge abgewinnt, wird der Film sicher zu Kontroversen führen.
Autor/in: Kirsten Liese, 23.10.2006