Erika Kohut lehrt am Wiener Konservatorium Piano, steht noch mit Anfang 40 unter der Fuchtel ihrer Mutter, die sie permanent kontrolliert und wie ein kleines ungezogenes Kind behandelt, wenn sie mal nachts spät nach Hause kommt. Sexuelle Befriedigung sucht die verbitterte Frau in Pornokinos. Als sich ein junger Schüler in sie verliebt, präsentiert sie ihm einen sexuellen Forderungskatalog, in dem sie die körperliche Akrobatik auflistet, die sie aus Pornos kennt und wandelt das Begehren des Jugendlichen in Abscheu. Es kommt zur Katastrophe. – Michael Haneke inszenierte nach dem gleichnamigen Roman von Elfriede-Jelinek die Sezierung menschlicher Verhaltensabweichungen als Psychodrama ohne Pardon. Er trifft Seele, Bauch und Kopf. Isabelle Huppert (mit ihrem Partner Benoît Magimel als beste Schauspieler in Cannes ausgezeichnet) brilliert in der Titelrolle, durchlebt alle Extreme. Mit der kleinsten Geste und minimaler Mimik lässt sie tiefe Einsamkeit und die Vereisung der Gefühle ahnen. Ihre Rigorosität erschreckt und weckt zugleich Mitleid. Diese Piano-Lesson ist bei Haneke weder harmonisch noch angenehm, sondern ein verstörendes Purgatorium. Die Klavierspielerin erhielt in Cannes den "Großen Preis der Jury".
Autor/in: Margret Köhler, 01.10.2001