Der Dokumentarfilmer Volker Koepp ist nach Czernowitz zurückgekehrt, wo 1998 schon Herr Zwilling und Frau Zuckermann entstand. Einst Teil der österreichisch- ungarischen Monarchie, liegt die Hauptstadt des Kronlandes Bukowina heute in der Ukraine. Früher lebten hier Ukrainer, Rumänen, Deutsche, Polen und Huzulen zusammen. Eine reiche kulturelle Vergangenheit, die man der Stadt noch ansieht und die vor allem im Herzen der Emigranten/innen und ihrer Nachfahren/innen weiterlebt. Die Hälfte der früher 150.000 Einwohner von Czernowitz waren Juden. Nur ein kleiner Teil überlebte die Deportationen in die Lager Transnistriens. Die Überlebenden fanden Exil in verschiedenen Teilen der Welt und doch blieben sie immer mit Czernowitz verbunden. – Mit Emigranten/innen und ihren Nachkommen, unter ihnen auch der US-Schauspieler Harvey Keitel, hat Volker Koepp die Geburtsstadt Paul Celans besucht. Die meisten kannten den Ort bisher nur aus Erzählungen als einen Ort der Erinnerung. Das Zusammenspiel von unmittelbarer Wiederbegegnung mit dem Ort und eigener oder familiärer Erinnerung macht das historische Czernowitz wieder lebendig: eine bunte, multikulturelle Stadt, die man gern erlebt hätte. Es ist beeindruckend, wie der Film es schafft, diesen Wunsch bei den Zuschauenden zu wecken. Koepp verlässt sich dabei nicht nur auf Erinnerungen, er porträtiert auch das aktuelle Czernowitz anhand der ukrainischen Studentin Tanja, die fünf Sprachen spricht und Czernowitz aus wirtschaftlichen Gründen verlassen möchte. Mit ihrer Vielsprachigkeit und dem Wunsch, die Stadt zu verlassen, transportiert sie den Mythos Czernowitz in die Gegenwart.
Autor/in: Dinah Münchow, 01.06.2004