Estland zieht Klaus Tiedemann magisch an. Auf der Flucht vor einer bürgerlichen Existenz verschlägt es den Süddeutschen ins Baltikum. Die Familie Tiedemann hat dort ihre wenig beachteten väterlichen Wurzeln, hier findet Klaus viele neue Freunde und 1996 unter mysteriösen Umständen auch den Tod. Seine ihm eng verbundene Schwester Sybille erhält damals die Nachricht, dass der erst 47-jährige Klaus im Gartenhaus eines estnischen Freundes an Herzversagen gestorben sei. Sybille ist misstrauisch, denn ihr Bruder war kerngesund. Von der Videokamera begleitet, macht sie sich auf, die Spuren Klaus Tiedemanns in Estland zu finden. – Estland mon amour mischt den eher kriminalistisch anmutenden Handlungsstrang der Reise unmittelbar nach dem Tod des Bruders mit einer offen angelegten Entdeckungsreise durch Estland sechs Jahre später. Die Nachforschungen, was mit Klaus tatsächlich geschehen ist, verzweigen sich immer wieder im Nebel widersprüchlicher Aussagen. Jahre später will die Regisseurin nur noch die Freunde und Bekannten ihres Bruders kennen lernen, Estland erspüren und Abschied nehmen. Diese Trauerarbeit der Schwester bestimmt den Rhythmus des Films. Alte Filmaufnahmen der Familie und elegische Naturaufnahmen verweben sich mit Sybille Tiedemanns sehr persönlichem Videotagebuch. Entstanden ist ein Film über den Abschied vom geliebten Bruder und die Entdeckung seiner letzten Heimat.
Autor/in: Dinah Münchow, 01.09.2005