Winter 1941/1942 in Vilna. Auf ihrem Vormarsch nach Osten hat die deutsche Armee auch die litauische Hauptstadt erreicht und ein riesiges Ghetto für die jüdische Bevölkerung errichtet. Mit unkalkulierbarer Willkür herrscht der junge SS-Offizier Kittel über Leben und Tod. Zufällig entdeckt er eines Tages in einem ehemaligen Theater eine Gruppe jüdischer Schauspieler/innen, die einem Exekutionskommando entkommen sind. Unter ihnen befindet sich auch die schöne Haya, einstmals eine berühmte Sängerin. Kittel, hinter dessen sardonischer Grausamkeit sich ein Kunstliebhaber verbirgt, ist betört von Haya und beschließt, das Theater neu bespielen zu lassen. Unterstützung findet Kittel bei dem jüdischen Ghettopolizisten Gens. Schnell stellen sie einen Spielplan auf die Beine und richten sogar eine Textilwerkstatt ein, in der deutsche Uniformen repariert werden. Mit großem Elan treibt Gens diese im Ghetto umstrittenen Unternehmungen voran, hofft er doch durch die Kooperation mit den Besatzern möglichst vielen seiner Glaubensgenossen Arbeit zu beschaffen – und Arbeit zu haben bedeutet, länger von den Liquidierungen verschont zu bleiben. Mit zunehmenden Verlusten an der Ostfront drängen die Besatzer auf die rasche Durchführung der "Endlösung" in den okkupierten Gebieten. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Ghetto ist eine Verfilmung der berühmten Bühnensatire des israelischen Dramatikers Joshua Sobol, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Zweifellos behandelt Ghetto, das zum Teil auf historischen Begebenheiten und Personen beruht, wichtige Themen. Die filmische Umsetzung dieses Stückes, das überwiegend auf einer Bühne spielt, ist jedoch nicht ganz unproblematisch. Trotz zahlreicher Gesangsparts und ausgeklügelter Choreographien mangelt es dem Film manchmal an echter Vitalität. In kunstvollen Bildern und verschiedenen Einstellungsgrößen nähert sich Kameramann Andreas Höfer den Gefühlswelten der Protagonisten/innen, schafft es jedoch nicht immer, die überbordende Ästhetisierung zu durchbrechen. Dennoch: Als satirische Parabel über das Grauen und die Absurdität des Kriegs, über moralische Mitschuld und die Möglichkeiten der Kunst, sich dem Terror entgegen zu stellen, eröffnet Ghetto eine Diskussion, die zeitlos aktuell ist.
Autor/in: Ula Brunner, 18.10.2006