Die 17-jährigen Mädchen Ginger und Rosa sind beste Freundinnen. Im London des Jahres 1962 verspüren die beiden wenig Lust auf die Schulbank, sondern führen lieber endlose Gespräche, rauchen heimlich Zigaretten und legen großen Wert darauf, nicht in die Fußstapfen der eigenen Mütter zu treten. Als die Kubakrise und der dadurch mögliche Atomkrieg die Öffentlichkeit politisieren, engagiert sich Ginger – inspiriert von den pazifistischen Idealen ihres Vaters Roland – in der Friedensbewegung, während Rosa das Leben weiterhin als Party begreift. Schließlich beginnt Rosa eine Affäre mit Roland, was die Entfremdung zwischen ihr und Ginger verschärft.
Im Zentrum der gut besetzten Genre-Mischung aus
Coming-of-Age- und Historiendrama steht die rebellische Freidenkerin Ginger, die sich auf die Suche nach ihrem Selbst begibt. Mit einer pointierten Erzählweise, stimmungsvollen Bildern und einem zeitgenössischen Jazz-
Soundtrack entwirft Sally Potter eine zeithistorische Momentaufnahme, in der Privates und Politisches in Wechselwirkung treten. Die bei Drehbeginn erst 13-jährige Elle Fanning verkörpert die Protagonistin mit großer Präsenz und hält das
elliptisch erzählte Entwicklungsdrama beisammen. Mit seinen starken Nebenfiguren eröffnet der Film ein Panorama unterschiedlicher Lebenseinstellungen, das im konfliktreichen Beziehungsdreieck zwischen Ginger, Rosa und Roland kulminiert.
Gingers Selbst- und Weltbild definiert sich insbesondere über ihre Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Für eine Analyse der Figuren bietet Ginger & Rosa fruchtbare Anknüpfungspunkte, wobei Gingers Erleben im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden sollte. Hiervon ausgehend können die Schüler/innen diskutieren, welche zeitgenössischen politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen und Diskurse ihr eigenes Leben betreffen, etwa die öffentliche Debatte über das Pro-und-Kontra von Videospielen oder die Occupy-Protestbewegung. Ziel kann es sein, das Bewusstsein für die Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft zu schärfen. Nicht zuletzt liefert der Inszenierungsstil, der unter anderem mit einer poetischen Lichtsetzung und der Darstellung von Emotionen in
Close-Ups arbeitet, eine fruchtbare Vorlage für eine Filmanalyse.
Autor/in: Christian Horn, 09.04.2013
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