Spanien 1792, ein Land unter dem Diktat der Inquisition. Die Kirche fürchtet den Verlust der Macht und die Ideen der Aufklärung. Selbst gläubige Christen stehen schnell im Verdacht, Feinde der Kirche zu sein. Inès, Muse und Modell des Malers Goya, gerät ins Visier der fanatischen Tugendwächter, weil sie in einem Lokal eine Portion Schweinefleisch ablehnte. Die Anklage lautet auf "jüdische Praktiken", was einem Todesurteil gleichkommt. Durch Mithilfe von Goya lässt sich der skrupellose Pater Lorenzo in das Haus der verzweifelten Eltern einladen, kassiert Bestechungsgeld und ist erst unter physischem Zwang bereit, sich für das Mädchen einzusetzen. Dennoch verschwindet die junge Frau in den finsteren Verließen; Lorenzo selbst wird von seinen Oberen der Ketzerei angeklagt und flieht in letzter Minute nach Frankreich. Sechzehn Jahre später kehrt er als glühender Verfechter der französischen Revolutionsideale mit Napoleons Armee nach Madrid zurück. Inès verlässt als gebrochene Frau den Kerker und sucht mit Unterstützung Goyas ihre in der Zelle geborene Tochter und deren Erzeuger – Lorenzo, der sie in ihrer Hilflosigkeit missbrauchte.
Oscar-Preisträger Milos Forman wagt sich mit diesem opulenten Historienfilm über den spanischen Hofmaler Francisco de Goya mehr als zwanzig Jahre nach dem Welterfolg
Amadeus erneut an eine historische Künstlerfigur und das Porträt einer Epoche. Ein Werk, das gerade in einer Zeit von zunehmendem religiösem Fanatismus und Fundamentalismus eine neue Bedeutung und Brisanz erhält. Vor dem politischen Hintergrund mit seinen gesellschaftlichen Umbrüchen spielt sich die verhängnisvolle Geschichte zwischen den drei Hauptfiguren ab: Goya, der erst nur Beobachter ist und später Partei ergreift, Lorenzo, den die dunkle Vergangenheit einholt, und Inès, das Opfer von blindwütigem Religionsterror. Der erste Teil des Films wirft einen Blick auf die grausame Historie und die Absurdität der Klerus-Justiz, prangert die Macht und Unmoral der Kirche an und zeigt Goya als Chronisten und Querdenker, der sich nicht den Regeln des Hofes unterwirft. Im zweiten Teil steht die persönliche Tragödie des Mädchens im Mittelpunkt und der von Stellan Skarsgård gespielte Goya ist nur noch eine Randfigur. Von Anfang an dominiert ein starker Javier Bardem in der Rolle des Lorenzo als mönchischer Bösewicht im Kreise eifernder Frömmler. Er spielt alle Facetten des ambivalenten Charakters aus und macht den Wandel der Figur nachvollziehbar. Das Epos über die Gefahren einer Ideologie und die Kraft der Unschuld dürfte nicht zuletzt hinsichtlich der gegenwärtigen Instrumentalisierung von Religion anregenden Diskussionsstoff bieten.
Autor/in: Margret Köhler, 07.11.2006