In Rom sind die chilenische Schülerin Bianca und ihr jüngerer Bruder Tomás nach dem Unfalltod ihrer Eltern auf sich allein gestellt. Die Minderjährigen können in der Wohnung der Familie bleiben, wo sie die Zeit mit Fernsehen und Videos totschlagen. Da die Waisenrente nicht reicht, jobbt Bianca in einem Friseurladen, Tomás putzt in einem Fitnessstudio. Von dort bringt er zwei junge Männer mit, die sich bei ihnen einquartieren. Um zu Geld zu kommen, schlagen sie vor, den Tresor des blinden Ex-Filmstars Maciste auszuräumen. Dazu soll Bianca ihn besuchen, verführen und den Tresor ausfindig machen. Nach anfänglichem Zögern macht sie mit. Doch im Zuge der nächtlichen Besuche entwickelt Bianca Sympathien für den Einzelgänger.
Der dritte lange Spielfilm der chilenischen Autorin und Regisseurin Alicia Scherson beruht auf dem letzten Roman, den der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño (1953-2003) vor seinem Tod 2002 in Spanien schrieb. Scherson übernimmt aus der literarischen Vorlage
Lumpenroman die Erzählerstimme der Bianca, die in der Rückschau als verheiratete Mutter in regelmäßigen Abständen das Filmgeschehen aus dem Off kommentiert. Die melancholische Grundstimmung wird wirkungsvoll unterstützt von einer
Musik, die mit schroffen Gitarrenriffs eigenwillige Akzente setzt. Einen reizvollen Subtext zur Handlung bilden zahlreiche Verweise auf die Filmgeschichte. So kann Maciste auf eine lange Karriere als Kraftprotz in sogenannten Sandalenfilmen zurückschauen. Auf dem Weg zu seinem labyrinthischen Haus fährt Bianca im Bus mehrmals an den Cinecittà-Filmstudios vorbei. Maciste selbst wird von dem niederländischen Hollywood-Veteranen Rutger Hauer verkörpert, der international vor allem durch den Kultfilm
Blade Runner (Ridley Scott, USA 1982) bekannt wurde.
Der Titel der Romanvorlage spielt auf den soziologischen Begriff des Lumpenproletariats an. Entsprechend kann im Fach Sozialkunde diskutiert werden, ob dieser Begriff auf die soziale Lage von Bianca und Tomás zutrifft. Der Filmtitel wiederum wirft die Frage nach den Zukunftsperspektiven einer scheinbar verlorenen Jugend auf. Hier liegt es nahe,
Il Futuro im Unterricht dahingehend zu analysieren, wie die Protagonisten/innen ihre Aussichten in einer materiell prekären Lage mit ungesicherten Arbeitsverhältnissen beurteilen. Daran anknüpfend können sich die Schüler/innen über ihre eigenen Zukunftsperspektiven austauschen. Dass sich Bianca quasi prostituiert, um den Tresor zu finden, liefert Ansatzpunkte, um im Fach Ethik Fragen der sexuellen Selbstbestimmung sowie das Thema Entfremdung zu erörtern. Im Literaturunterricht können Schüler/innen zudem die dramaturgischen Herausforderungen bei der filmischen Adaption eines literarischen Stoffes untersuchen. Nicht zuletzt bieten die filmgeschichtlichen Referenzen reichlich Ansatzpunkte, um beispielsweise zu analysieren, warum Sandalenfilme meist als B-Pictures gelten.
Autor/in: Reinhard Kleber, 10.09.2013
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