Einige Monate vor ihrem Tod brach Traudl Junge, zwischen 1943 und 1945 eine der Privatsekretärinnen Hitlers, nach fast 60 Jahren erstmals ihr Schweigen und gewährte den österreichischen Filmemachern André Heller und Othmar Schmiderer einige Interviews. Sie sind zu einem einzigartigen, spannenden Zeitdokument verdichtet, das zwar kaum grundsätzlich neue Erkenntnisse über die Person des Naziherrschers liefert, dafür aber "aus erster Hand" Zeugnis abgibt von der weltabgeschiedenen Atmosphäre im "Führerbunker" und der freundlichen Banalität des Alltags im Zentrum eines auf Vernichtung und totalen Krieg konzentrierten Machtapparates. Gebannt lauscht man den eindringlichen Erzählungen der alten Dame, die selbstkritisch von ihrer damaligen Naivität berichtet, von ihren Verstörungen, ihrem Verantwortungsgefühl und – in einem fast 25-minütigen Monolog – von den letzten Tagen vor Hitlers Selbstmord. Was im Dokumentarfilm eigentlich verpönt ist, ein blanker Interviewfilm mit einer einzigen Person im Bild, der lediglich durch zwischengeschnittene, ergänzende Kommentare von Frau Junge bei der Sichtung der ersten Rohschnittfassung gebrochen ist, hier schafft es Dichte und Konzentration. Etwas schade ist es trotzdem, dass die Filmemacher zugunsten der Zeitzeugin alle ihre Fragen herausgeschnitten haben und dem Zuschauer damit wertvolle Informationen über die Gesprächsatmosphäre vorenthalten.
Autor/in: Holger Twele, 01.05.2002