Nachdem sie sich gegen die sexuelle Belästigung ihres Chefs zur Wehr gesetzt hat, verliert Angie, eine allein erziehende Mutter um die 30, ihren Job in einer Personalvermittlung für europäische Leiharbeiter/innen. Frustriert von den Abhängigkeiten des Angestelltendaseins gründet die energische, selbstbewusste Frau gemeinsam mit ihrer Freundin Rose eine eigene Agentur. Osteuropäische Tagelöhner, die ohne soziale Absicherung und für einen Hungerlohn schwerste Arbeit verrichten, sind leicht gefunden. Bald wirft das Geschäft gutes Geld ab. Aber der Markt ist knallhart, Gesetze sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Geldgeber tauchen ab, Zeitarbeiter/innen fordern gewaltsam ihre Minilöhne ein, illegale Einwanderer/innen betteln um Jobs aller Art. Angie gerät in Versuchung, alle Skrupel über Bord zu werfen.
Schon in früheren Werken wie
Bread and Roses und
The Navigators (England 2000, 2001) prangerte Ken Loach soziale Ungerechtigkeit und Profitgier an.
It’s a Free World ist ein weiterer kapitalismuskritischer Film und auch hier sind die Rollen von Gut und Böse, Tätern und Opfern nicht eindeutig festgelegt. Wider Erwarten passt sich die anfänglich sozial engagierte Heldin den harten Markbedingungen an und beginnt, sich rücksichtslos in die eigene Tasche zu wirtschaften. Auch wenn die Verantwortung der Einzelnen wichtig ist, so krankt doch in erster Linie das gesamte wirtschaftliche System – das ist die Botschaft dieses Films, die sich dank ambivalenter Standpunkte erfreulich unaufdringlich vermittelt: Dem Argument, dass Angie ihrem Sohn eine Zukunft bieten möchte, wird entgegengehalten, dass dieser später keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben wird, wenn er mit (illegalen) Billigstkräften konkurrieren muss.
In der filmpädagogischen Arbeit sollte eine Diskussion über Pro und Contra solcher Aussagen vertieft und individuelle Möglichkeiten, sich innerhalb eines ausbeuterischen Systems ethisch integer zu verhalten, erörtert werden. Die verschiedenen ideologischen Haltungen sollten dabei ebenso berücksichtigt werden wie die widersprüchliche Figur Angies, die man weder eindeutig als Opfer noch als Täterin sehen kann. Basis für eine solch unparteiische, glaubwürdige Erzählperspektive ist das realitätsnahe, auf präzisen Recherchen basierende Drehbuch Paul Lavertys. Ihm trägt eine dokumentarische Ästhetik und eine dicht an den Personen bleibende Kameraführung in der filmischen Umsetzung Rechnung. Eine packende Handlungsdramaturgie rückt
It’s a Free World zugleich in die Nähe eines Wirtschaftskrimis.
Autor/in: Kirsten Liese, 26.11.2008
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