Während die Studierenden 1967 in Tokio auf den Straßen protestieren, trifft der 19-jährige Watanabe seine einstige gute Freundin Naoko wieder. Vor zwei Jahren hatten sich ihre Wege nach dem überraschenden Selbstmord eines gemeinsamen Freundes getrennt. Durch ihre Begegnung brechen nun alte Wunden und Erinnerungen wieder auf. Watanabe verliebt sich erneut in die zurückhaltende Naoko, die sich jedoch bald aufgrund schwerer Depressionen in eine abgelegene Klinik zurückzieht. Unterdessen lernt Watanabe die lebensfrohe Midori kennen, die offensiv um ihn wirbt.
Die Adaption des gleichnamigen Romans von Haruki Murakami erzählt fragmentarisch und episodenhaft eine komplexe Liebesgeschichte, wobei Kostüme und Ausstattung detailgetreu das Studentenmilieu der 1960er-Jahre widerspiegeln. Im Mittelpunkt stehen allerdings nicht die politischen Unruhen. Vielmehr versucht der Film die vielschichtigen, teils widersprüchlichen Gefühle Watanabes sichtbar zu machen. Präzise inszenierte
Kamerafahrten stellen durch die Bewegung Beziehungen zwischen den Figuren her und vermitteln emotionale Zusammenhänge. Regisseur Tran bemüht sich so um eine poetische Bildsprache, die über das Illustrieren eines Romans weit hinausgeht und auf die kinematografische Wirkung von Bildern setzt. Unterstützt werden diese durch den
Score des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood sowie durch bekannte Musikstücke, welche die Handlung und Situation der Protagonisten/innen kommentieren.
Um Aufbruch und Befreiung, um Respekt, Verpflichtung, Hingabe und Verantwortung geht es in dem Film, der diese Themen überwiegend durch das Verhältnis von Watanabe zu Liebe und Sexualität erzählt. Da vieles unausgesprochen bleibt, bieten die Figuren in der filmpädagogischen Auseinandersetzung fruchtbare Anknüpfungspunkte für eine Betrachtung ihrer innersten Motive und ihrer Gefühlslage. In diesem Zusammenhang können Jugendliche auch die eigenen Ängste und Sehnsüchte im Hinblick auf Freundschaft und Liebe reflektieren. Die gelungene Umsetzung der Romanvorlage regt im Unterricht zu einem medialen Vergleich zwischen Buch und Film an und kann den Blick für die genuinen filmischen Ausdrucksmittel schärfen.
Autor/in: Stefan Stiletto, 29.06.2011
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