Eine Hochhaussiedlung in einem tristen Vorort bei Köln, kurz nach Weihnachten: Yvonne, Jenny, Katharina und die zehnjährige Mandy verbringen ihre Zeit mit nächtlichen Streifzügen, Rauchen, Trinken und kleineren kriminellen Delikten. Gelangweilt und frustriert liefern sich die jungen Frauen Kämpfe mit anderen Mädchengangs oder prügeln willkürlich auf Gleichaltrige ein. Zwei von ihnen sind bei der Polizei wegen ihrer Gewaltbereitschaft bereits auffällig geworden: Rädelsführerin Yvonne soll für ein halbes Jahr ins Gefängnis, ihrer Freundin Katharina, einer russischen Spätaussiedlerin, droht eine Strafanzeige. Kurz bevor Yvonne ihre Haftstrafe antreten soll, flüchtet sie. Während sich ihre Situation zuspitzt, fühlt sich Katharina in der Gruppe zunehmend unwohl und möchte eigentlich aussteigen. Als Yvonne zufällig an eine Pistole kommt, eskaliert die Gewalt.
Authentisch und schonungslos porträtiert Birgit Grosskopf junge Frauen der Unterschicht, die sich an Macho-Vorbildern orientieren und ihrer trostlosen Umgebung außer körperlichen Übergriffen nichts entgegenzusetzen haben. Mit der nüchternen, und ungeschönten Darstellung weiblicher Gewalt ist der Regisseurin ein wichtiger Beitrag zu einem weitgehend totgeschwiegenen Thema gelungen.
Prinzessin besticht durch das realistische Spiel seiner Hauptdarstellerinnen, seine schnörkellose Dramaturgie und eine stilsichere Ästhetik, die Atmosphäre und Wirkung des Films vorgibt. Das von Monotonie, Frustration, Aggressivität und Perspektivlosigkeit getragene Lebensgefühl der Protagonistinnen vermittelt sich eindrücklich und intensiv in den kalten Bildern von grauen Plattenbauten. Eine symbolträchtige Geräuschkulisse mit verfrühten Silvesterböllern suggeriert einen akustischen Kriegszustand; mittelalterliche schwermütige Frauengesänge aus der Zeit Hildegard von Bingens überhöhen den bewusst dialogarmen Film kunstvoll ins Poetische.
Für den Einsatz im Unterricht bietet
Prinzessin eine konfrontative Grundlage für Diskussionen und Analysen eigener Gewalterfahrungen von Schülern, insbesondere aber auch von Schülerinnen. Dabei gilt es unter Berücksichtigung der filmischen Mittel, die nicht explizit angesprochenen Motive für die Gewaltbereitschaft herauszuarbeiten. Durch einen Vergleich mit einem Film wie
Knallhart (Detlev Buck, 2006) lassen sich zudem Unterschiede und Gemeinsamkeiten von männlichem- und weiblichem Gewaltverhalten, Rollenbildern und Geschlechteridentitäten thematisieren.
Mehr zu den Themen Mädchen und Gewalt:
Samaria (Filmbesprechung vom 01.12.2004)
Mädchengangs schlagen zu (Hintergrund vom März 2003)
Girlfight - Auf eigene Faust (Filmbesprechung vom 01.02.2001)
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Autor/in: Kirsten Liese, 23.09.2007