Der Student Ben ist querschnittsgelähmt und schikaniert die ihm zugeteilten Zivildienstleistenden. Seinen neuen Zivi Christian kann er mit seinen harrschen Befehlen allerdings nicht beeindrucken, die zwei werden sogar Freunde. Doch dann verlieben sich beide in die Cellostudentin Annika. Zu dritt verbringen sie die Abende auf Bens Balkon und verwandeln die triste Duisburger Hochhausumgebung durch ihre Fantasie: Sie stellen sich die Gebäude meerumflutet mit springenden Delfinen und tutenden Schiffe vor. Als Annika sich mit beiden Männern einlässt, wird die Freundschaft der drei Tagträumenden auf die Probe gestellt.
Renn, wenn du kannst greift ohne Berührungsängste die Themen Freundschaft, Liebe und Sexualität vor dem Hintergrund körperlicher Behinderung auf. Der in matten
Blautönen gehaltene Film changiert dabei gelungen zwischen einer am Realismus orientierter Ästhetik und einzelnen fantastischen Traumsequenzen. Besonders ragt auch das Schauspiel der Darsteller/innen heraus. Ihre lakonisch-pointierten Dialoge gehen Hand in Hand mit einer dynamischen, sich frei und oft in die
Vogelperspektive aufschwingenden Kamera. Beides unterstützt die leicht und komödiantisch gehaltene Erzählung von Menschlichem, von Trauer und Abschied, beruflichen Entscheidungen und übertriebenem Ehrgeiz, von Verlustängsten und Großmut.
Im Schulunterricht lassen sich mit der rasanten Dreiecksgeschichte sehr gut Fragen der körperlichen Benachteiligung in Freundschaft und Liebesbeziehungen diskutieren. "Wir müssen darüber reden", sagt Ben zu Annika, als sie eine Nacht gemeinsam verbringen. Doch nicht nur, wie körperliche Liebe vollzogen werden kann, sondern auch, welches ideelle Konzept von Liebe sie leben wollen, stellt Teil ihrer Auseinandersetzung dar. Filmanalytisch lohnt sich der Blick auf den Filmtitel
Renn, wenn du kannst und einzelne Dialogsequenzen, die Regisseur Dietrich Brüggemann gemeinsam mit seiner Schwester und der Hauptdarstellerin Anna Brüggemann geschrieben hat: Welche Haltung nehmen sie zur sensiblen Thematik ein? Und welche Rolle spielt Humor dabei?
Autor/in: Maren Wurster, 26.07.2010
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