Zweieinhalb Jahre lang hat Thomas Riedelsheimer die 15-jährige Pauline, den 10-jährigen Richard und den 6-jährigen Lenni begleitet. Alle drei sind an Leukämie erkrankt. Das Krankheitsbild an sich oder die Therapiemöglichkeiten spielen jedoch kaum eine Rolle in dem ruhig und sensibel beobachteten
Dokumentarfilm. Stattdessen dreht sich alles darum, wie Pauline, Richard, Lenni und ihre Familien mit der Krankheit, den Lichtblicken und Rückschlägen sowie mit dem Wissen um den drohenden Tod umgehen.
Die Porträts zeigen die jungen Menschen in ihren unterschiedlichen Lebensphasen und Herangehensweisen. Mit einer entwaffnend offenen Art, äußerst reflektiert und rational geht Pauline, die Schauspielerin werden will und Gedichte schreibt, mit ihrer Erkrankung um. Der fußballbegeisterte Richard hingegen findet in exakten medizinischen Erklärungen eine Möglichkeit, die eigene Situation und Hilflosigkeit begreifbar zu machen. Und Lenni, der jüngste, ist noch voller Neugierde und in der Obhut seiner Eltern. Riedelsheimer nimmt die Rolle des unsichtbaren Begleiters ein und findet in suggestiven Bildern wie dem wiederkehrenden, suchenden Blick zum Himmel bildliche Entsprechungen für die existenziellen Lebenssituationen. Er sucht die Nähe zu den Protagonisten/innen, ohne jedoch aufdringlich und ausbeuterisch zu wirken, und greift zum Teil auch auf private Videoaufnahmen von Pauline oder den Eltern von Lenni und Richard zurück. Gerade Pauline bringt dabei in Interviews oder Auszügen aus ihren Tagebuchaufzeichnungen durch ihre bemerkenswerte Reife und Ausdrucksfähigkeit die Gefühle auf den Punkt: Was zählt, ist das Leben für den Augenblick.
Seelenvögel wird von einer Mut machenden Botschaft getragen: Die Familien nehmen das Sterben als Teil des Lebens an und schöpfen Kraft aus den gemeinsamen Momenten. Angst, Wut und Verzweiflung werden im Film ausgeblendet – obgleich im Laufe der Dreharbeiten Pauline und Lenni sterben. Gerade aber in einer Gesellschaft, in der der Tod aus der Alltagserfahrung weitgehend verbannt und aus dem Leben ausgeklammert wird und in der der Tod eines Kindes erst recht ein Tabu ist, ist ein Film wie dieser von Bedeutung und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an die Themen Tod, Trauer und Sinnfindung in den Unterrichtsfächern Ethik oder Religion.
Autor/in: Stefan Stiletto, 04.11.2009
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