Unter großen organisatorischen und – nach Putins Kehrtwende im Tschetschenienkrieg nach dem 11. September 2001 – auch politisch motivierten Schwierigkeiten untersuchte die finnische Filmemacherin Pirjo Honkasalo an verschiedenen Orten der Sowjetunion, welche Auswirkungen der Krieg in Tschetschenien insbesondere auf Kinder und Jugendliche hat. Der von den Erwachsenen geschürte Hass findet bei ihnen offenbar einen idealen Nährboden. Honkasalo zufolge übernehmen sie diesen Hass und glauben später, er würde aus ihnen selbst kommen. Ein permanentes Gefühl der Melancholie und spontane, unerklärbar scheinende Wutausbrüche, die sich zunächst gegen sich selbst richten, sind die von ihr überall beobachteten Folgen. Ihre These versucht sie weniger argumentativ als mit filmischen Mitteln zu stützen und lässt die dokumentarischen Bilder überwiegend für sich selbst sprechen. Sie konzentriert sich dabei auf drei verschiedene Orte: In der von Präsident Putin gegründeten Kadettenschule von Kronstadt werden neun- bis 14-jährige Jungen, die häufig aus zerstörten Familien stammen oder Kriegswaisen sind, systematisch militärisch ausgebildet und auf das Feindbild tschetschenischer Rebellen eingeschworen. In der fast vollkommen zerstörten Hauptstadt von Grosny begleitet die Kamera eine Frau, die Kinder aus den Ruinen rettet und inzwischen 63 Waisenkindern, deren Eltern alle von russischen Einheiten getötet worden sind, zur Ersatzmutter geworden ist. Direkt hinter der tschetschenischen Grenze im Gebiet der Inguschen erleben Kinder in einem Flüchtlingslager den nahen Krieg als permanente Bedrohung. Der Dokumentarfilm wurde auf den Filmfestspielen von Venedig 2004 mit dem Preis der Menschenrechte ausgezeichnet.
Autor/in: Holger Twele, 01.03.2005