Distributionsform: DVD, Blu-Ray Regie: Josef von Sternberg Drehbuch: Josef von Sternberg, Carl Zuckmeyer, Karl Vollmoeller, Robert Liebmann frei nach dem Roman "Professor Unrat" (1905) von Heinrich Mann Darsteller/innen: Emil Jannings, Marlene Dietrich, Kurt Gerron, Rosa Valetti, Hans Albers u.a. Kamera: Günther Rittau Laufzeit: 108 Min. min, deutsche Originalfassung Format: 35 mm, Schwarzweiß, 1:1,33 Barrierefreie Fassung: nein FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 16 J. Klassenstufen:ab 11. Klasse Themen:Literaturverfilmung, Musik, Schule, Individuum (und Gesellschaft) Unterrichtsfächer:Deutsch, Psychologie, Kunst, Musik, Geschichte
An einem Jungengymnasium einer deutschen Provinzstadt der Kaiserzeit unterrichtet Professor Rath seine Klasse mit Pedanterie und Sittenstrenge. Als er erfährt, dass die Schüler Abend für Abend im Hafenviertel das Varieté "Der blaue Engel" besuchen, begibt er sich selbst in die Spelunke, um sie zu überführen. Stattdessen aber begegnet er dort der verführerischen Lola Lola, dem Star des Etablissements, und verliebt sich in sie. Seine Heirat mit der frech-frivolen Sängerin kostet ihn seine bürgerliche Existenz und richtet ihn schließlich zugrunde.
Der deutsche Kinoklassiker Der blaue Engel (1930), eine freie Verfilmung von Heinrich Manns 1905 erschienenem Roman Professor Unrat, ist weniger eine Satire über das deutsche Bildungsbürgertum um 1900 als vielmehr eine Studie über männliche Projektionen. Der aus Österreich stammende US-Regisseur Josef von Sternberg, der für die Produktion eigens von der deutschen Filmgesellschaft UFA engagiert wurde, entwickelte das Filmgeschehen in sorgfältig komponierten Bildern, die durch eine ausgefeilte Lichtsetzung geprägt sind – nicht zuletzt aber auch durch extravagante Dekors und Kostüme. Im Mittelpunkt steht dabei Marlene Dietrich, die in ihrer Rolle als Lola Lola zur Kinoikone wurde. Sternberg inszenierte sie als ein sinnliches Versprechen: Die glänzenden Oberflächen ihrer Garderobe – oftmals Pailletten oder auch schillernde Stoffe – verweisen dabei auf die Konstruiertheit des Kamerablicks; Lola Lola erscheint geradezu wie eine männliche Imagination. Dieser Eindruck wird verstärkt, indem die Sängerin immer wieder auch in Spiegeln, reflektierenden Scheiben oder auf Postkarten, Plakaten und Fotografien zu sehen ist. Während in diesem frühen Tonfilm Dialoge auffällig reduziert eingesetzt werden, sind Musik und Liedtexte von zentraler Bedeutung. So stimmt im Vorspann zunächst ein Orchester Mozarts "Üb immer Treu und Redlichkeit" an, bevor die Melodie nahtlos in die des Liedes "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" von Friedrich Hollaender übergeht. Die beiden Kompositionen stehen für die konträren Milieus, die im Film in Gestalt von Professor Rath und Lola Lola aufeinandertreffen.
Im schulischen Kontext könnte der erfindungsreiche Einsatz der verschiedenen Melodien, Tonelemente und Lauteffekte in Der Blaue Engel im Rahmen des Musikunterricht untersucht werden: Die Spannbreite reicht hier vom Glockenspiel über Volkslieder bis zu den berühmten Chansons von Hollaender. Im Kunstunterricht bietet es sich an, die artifizielle Bildästhetik des Films zu thematisieren – speziell die an die Traditionen des expressionistischen deutschen Stummfilms anknüpfende Beleuchtung und das Set Design. Schon Sternbergs kapriziöse Kostüme und Kulissen verdeutlichen, dass der Film etwas gegenüber der literarischen Vorlage Eigenständiges ist. Im Deutschunterricht lassen sich mediale aber auch thematische Differenzen von Roman und Film herausarbeiten.
Aufgabe zum Film Der blaue Engel
Fach: Deutsch, ab Oberstufe, ab 16 Jahren
Vor der Filmsichtung:
a) Sehen Sie sich die Szene an, die Professor Raths beruflichen Alltag zu Beginn des Films Der blaue Engel darstellt. Analysieren Sie, wie filmästhetische Mittel (beispielsweise Musik, Lichtgestaltung, Bildkomposition, Einstellungen und Schuss-Gegenschuss-Verfahren) das Verhältnis zwischen Rath, dem Klassenprimus und den restlichen Mitschülern ausgestalten.
Timecode: 00:06:00-00:12.50
b) Charakterisieren Sie Rath stichpunktartig mithilfe von aussagekräftigen Attributen.
c) Stellen Sie dar, welche Aspekte des Unterrichtsgeschehens in dieser Szene Ihnen aus Ihrem Schulalltag vertraut sind.
d) Welchem Genre ordnen Sie Der blaue Engel zu? Begründen Sie.
Während der Filmsichtung:
e) Achten Sie auf die Entwicklung der Figur Rath und wie diese durch die Verwendung der filmästhetischen Mittel aus Aufgabe a) dargestellt wird.
Nach der Filmsichtung:
f) Tauschen Sie sich im Plenum über Ihre Sichtungseindrücke aus. Inwieweit weicht die Ästhetik des Films Der blaue Engl von Ihnen vertrauten Filmen ab?
g) Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse aus Aufgabe e). Traf Ihre Vermutung bezüglich des Genres zu? Falls nicht, um welches Genre handelt es sich stattdessen?
h) Fassen Sie den Konflikt des Films in wenigen Sätzen schriftlich zusammen und stellen Sie Ihre Ergebnisse im Plenum vor.
i) Der blaue Engel wurde nach der Uraufführung am 1. April 1930 in Berlin ein kommerzieller Erfolg, in deren Folge die bisherige Theater-Schauspielerin Marlene Dietrich (Lola Lola) und Regisseur Josef von Sternberg Angebote aus Hollywood erhielten, wo sich Emil Jannings (Rath) bereits als erfolgreicher Schauspieler etabliert hatte.
Stellen Sie unter Einbeziehung Ihrer Untersuchung der Figur Raths (Aufgabe e), des dargestellten Konflikts (Aufgabe h) und der filmästhetischen Mittel (Aufgabe e) Vermutungen an, worin Gründe für den internationalen Erfolg des Films gelegen haben könnten.
j) Falls Sie Heinrich Manns Roman Professor Unrat (1905) noch nicht gelesen haben, informieren Sie sich über die Handlung der literarischen Vorlage, beispielsweise hier.
k) Lesen Sie die 1930 verfasste Filmkritik von Siegfried Kracauer und fassen Sie anschließend die wichtigsten Aspekte seiner Kritik in eigenen Worten schriftlich zusammen.
l) Erörtern Sie anschließend, inwieweit Sie diesen Aspekten (nicht) zustimmen.
m) Erstellen Sie arbeitsteilig drei Podcasts oder Videoblogs, die jeweils Konflikt, Figuren(konstellationen) und Rezeption von:
• dem Roman Professor Unrat
• dem Film Der blaue Engel (D 1930, Regie: Josef von Sternberg)
• dem Film Lola (D 1981, Regie: Rainer Werner Fassbinder)
(pointiert) aufbereiten.
n) Geben Sie einander kriterienorientiertes Feedback.
Autor/in: Friederike Horstmann, Ronald Ehlert-Klein (Arbeitsblatt), 29.05.2020