Als Frank und sein bester Kumpel Alex 1985 den Breakdance-Film
Beat Street im Kino sehen, ist es um die beiden geschehen. Immer wieder sehen sie sich ihn an und beginnen bald, die faszinierenden akrobatischen Bewegungen nachzuahmen. Wenig später schließen sich ihnen auch Michel und Matti an – und eine kleine Breaker-Subkultur entsteht auf den Straßen Dessaus. In der DDR jedoch ist die US-amerikanische Jugendkultur, die von individuellen Ausdrucksformen bestimmt wird, nicht gerne gesehen. Mit der Ausrede, Breakdance stamme aus der unterdrückten Arbeiterklasse, können Frank und seine Freunde zunächst ihren Kopf aus der Schlinge ziehen. Dann aber fassen die Parteifunktionäre einen Plan: Breakdance wird als Schautanz offiziell anerkannt, die Gruppe um Frank darf ihrem Hobby unter dem wachsamen Auge des Staates weiter nachgehen und sogar im staatlichen Auftrag auftreten. Schnell werden die Breakdance-Pioniere berühmt. Aber es dauert nicht lange, bis es auch innerhalb der Gruppe zum Streit kommt: Sich vereinnahmen lassen? Oder seinen eigenen Weg gehen?
Dessau Dancers, Szene (© Senator)
Dessau Dancers siedelt eine typische Coming-of-Age-Geschichte über Rebellion und Anpassung, Regeln und Idealismus vor historischem Hintergrund an und verleiht dieser dadurch eine neue Brisanz. Für Frank und die anderen Mitglieder der Gruppe wird die Entscheidung, sich fremden Regeln unterzuordnen oder stattdessen – trotz absehbarer negativer Folgen – weiterhin die eigenen Ziele zu verfolgen, zu einem bedeutenden Wendepunkt im Leben. Dennoch zeigt der Film diesen Konflikt nicht als Drama, sondern vielmehr als schwungvolle Mischung aus Komödie und Tanzfilm, die in Nebenhandlungen auch um eine Familien-, Freundschafts- und Liebesgeschichte ergänzt wird. Insbesondere die Breakdance-Szenen erinnern durch die Montage und den Einsatz von Lichteffekten an die Inszenierung von Musikvideos, während in den Dialogen anspielungsreich Begriffe aus dem DDR-Kontext auf die Schippe genommen werden. Die Darstellung des SED-Regimes bleibt hingegen bewusst vereinfacht.
Von Beginn an laden die jugendlichen Breakdancer, die zum Spielball der Erwachsenen werden sollen, zur Identifikation ein. Vermittelt über diesen Konflikt lässt sich gut diskutieren, wie wichtig Idealismus und Individualität sind. Mit Bezug zu dem im Film dargestellten historischen Kontext lässt sich davon ausgehend vertiefend betrachten, wie die politischen Verhältnisse die Selbstentfaltung der Bürger/innen in der DDR eingeschränkt oder gar verhindert haben. Hier kann insbesondere auf die Bedeutung des Ministeriums für Staatssicherheit eingegangen werden. Dennoch sollte auch erarbeitet werden, inwieweit der Film auf klischeehafte Darstellungen zurückgreift. In den Fächern Deutsch oder Musik bietet sich darüber hinaus eine Beschäftigung mit der Geschichte des Breakdance an. In diesem Zusammenhang lässt sich vor allem der gegenkulturelle Aspekt vertiefen, der auch in
Dessau Dancers eine wichtige Rolle spielt. Zu einem Filmvergleich kann zudem die Dokumentation
Ostpunk herangezogen werden, die die Situation jugendlicher Punker in der DDR beschreibt.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Stefan Stiletto