Der erste Tag als Lehrer in einer Jugendstrafanstalt ist für Hannes Fuchs ziemlich herausfordernd. Gegenstände und Beleidigungen fliegen im Klassenraum in seine Richtung, und seine Kollegin, die erfahrene Gefängnislehrerin Elisabeth Berger, zeigt ihm die kalte Schulter. Berger orientiert sich nicht an den Lehrplänen und hält Fuchs für einen Aufpasser der Gefängnisleitung. Doch der scheint vorrangig den Jugendlichen mit traumatischen Erfahrungen helfen zu wollen, nachdem er selbst einen Verlust erlitten hat: Sein minderjähriger Sohn hat sich das Leben genommen. Vor allem die schweigsame Samira, die zu Gewaltausbrüchen und selbstverletzendem Verhalten neigt, will Fuchs in die Klasse integrieren. Mit unkonventionellen Methoden erreichen Berger und Fuchs schließlich gemeinsam ihre Schüler/-innen. Wenn die straffälligen Jugendlichen nacheinander durch eine Tür, die Berger mitten in der Klasse aufgestellt hat, in die imaginäre Freiheit schreiten, verstehen sie, dass der Weg zurück ins Leben da draußen in der eigenen Vorstellung beginnen muss.
Der österreichische Film
Fuchs im Bau ist eine erneute Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Arman T. Riahi und dem Darsteller Aleksandar Petrović. In ihrem letzten Film
Die Migrantigen, der Integrationsdebatten und Medienklischees aufs Korn nimmt, spielte Petrović noch eine komödiantische Doppelrolle. Dem Thema Jugendstrafvollzug widmet sich Riahis neues Werk nun mit ernsteren Tönen, die gelegentlich durch die derbe Sprache in der
Gefängnisschule aufgehellt werden. Die dunklen
Grau-Blau-Töne sowie die bedrückende Enge der Zellen und Gänge sind typische Merkmale eines
Gefängnisfilms. Aus der Perspektive des Lehrers beleuchtet
Fuchs im Bau die Probleme der Jugendlichen sowie den Beitrag, den (künstlerische) Bildung bei der Resozialisierung und Persönlichkeitsentwicklung einnehmen kann. Mit reduziert-glaubhaftem Spiel vermittelt Petrović die Härten des Jobs, aber auch das individuelle Trauma der Figur. Dabei wird das Schlagzeugspiel zum Leitmotiv der Schuldgefühle, die Fuchs nach dem Tod seines Sohnes quälen.
Fuchs im Bau, Trailer (© Rendezvous Filmverleih)
Fuchs im Bau basiert lose auf den realen Erfahrungen eines Gefängnislehrers und zeichnet mit einem talentierten Ensemble ein differenziertes Bild der Institution sowie der jugendlichen Delinquenten. Im Schulunterricht bieten sich etliche Anknüpfungspunkte in Fächern wie Deutsch, Pädagogik, Sozialkunde oder Ethik. Nach der Sichtung kann die
Szene, in der Fuchs und der Vollzugsbeamte Weber in der Kneipe über ihre Arbeit diskutieren, als Diskussionsanregung dienen: Welche gesellschaftliche Funktion hat eine (Jugend-)Strafanstalt? Wie unterscheiden sich die Positionen des Lehrers und des Wächters? Anschließend sollten in Kleingruppen die Figurenbeziehungen erarbeitet werden: Fuchs und Berger, Berger und die Klasse, Fuchs und Samira sowie Berger und Weber. Bei der Figur Samira, die als einzige/-r Schüler/-in eine familiäre Backstory bekommt, sollte der im Film nur angedeutete Konflikt um eine mögliche Genderdysphorie sensibel erläutert werden. Auf der dramaturgischen Ebene sind das Leitmotiv und der dramatische Höhepunkt, das Percussion-Konzert im Klassenraum, sowie das offene Ende des Films erwähnenswert.
Autor/in: Jan-Philipp Kohlmann, 17.05.2022
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