Auf den Straßen von Caracas ist Maroa frei. Das elfjährige Mädchen lebt bei seiner Großmutter und steuert durch den Verkauf von Heiligenbildchen und Pornoheften ihren Teil zum Lebensunterhalt bei. Ärger gibt es allerdings immer, wenn die impulsive Großmutter von den krummen Geschäften erfährt, in die ihre Enkelin mit ihrem zwei Jahre älteren Freund Carlos verwickelt ist. Nachdem sie als Zeugin eines Raubmords festgenommen und von einem korrupten Polizisten fast vergewaltigt wurde, wird sie schließlich in ein geschlossenes Kinderheim abgeschoben. Neugierig lauscht sie dort den Proben eines klassischen Jugendorchesters und wird wenig später von dem spanischen Musiklehrer Joaquín als Klarinettistin in das Ensemble aufgenommen. Obwohl ihr Talent unüberhörbar ist, bringt Maroa aber weder die nötige Disziplin auf noch ordnet sie sich der Gruppe unter. Der Chance auf ein besseres Leben in der Zukunft steht zunächst ihr ungeduldiger Drang nach Freiheit und die Unfähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen, im Wege.
In
Maroa wirkt Musik als ordnende Kraft, die Struktur in das Leben bringt, Ziele vorgibt und zugleich Raum lässt zum kreativen Selbstausdruck. Realer Hintergrund des fiktiven Mädchenporträts ist die 1975 von dem Komponisten José Antonio Abreu ins Leben gerufene Orchesterbewegung. Diese Initiative ist seither für viele Kinder und Jugendliche in Venezuela zu einem Rettungsanker geworden, der ihnen geholfen hat, aus einem Teufelskreis von Armut, Gewalt, Kriminalität und Prostitution auszubrechen. In ruhigen Einstellungen, manchmal unter Zuhilfenahme einer Handkamera, fängt die schwedische Regisseurin Solveig Hoogesteijn authentisch die rauen Lebensverhältnisse auf den Straßen der venezolanischen Hauptstadt ein und bietet mit diesem gesellschaftskritischen Ansatz anschauliche Anknüpfungspunkte an den Unterricht in sozialkundlichen Fächern. Während Joaquin recht blass bleibt, wird die Geschichte einer persönlichen Entwicklung über alle Widrigkeiten hinweg vor allem von der Hauptdarstellerin Yorlis Domínguez getragen. Sie spielt Maroa mit jener Mischung aus Trotz und Zerbrechlichkeit, die in einem jugendlichen Publikum das Interesse für ihre Probleme und Gefühle wecken kann. Die Bedeutung, die das Klarinettenspiel für Maroa hat, ermöglicht im Musikunterricht den Rückbezug zur Erfahrungswelt der Zuschauenden und kann einen anderen Zugang zu – auch klassischer – Musik eröffnen.
Autor/in: Stefan Stiletto, 25.06.2008
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