Im Grunde hat Nikolaj keine Chance, gegen seine Eltern zu rebellieren und einmal so richtig aus der Rolle zu fallen. Denn sein Vater Magnus ist ein überzeugter Hippie, der sich ohnehin allen gesellschaftlichen Regeln widersetzt. Und so wird jeder Versuch einer Grenzüberschreitung von Nikolaj vielmehr gefördert - im schlimmsten Fall durch tatkräftige Unterstützung der Eltern. Eine Wende leitet erst der plötzliche Unfalltod von Nikolajs Mutter ein. Während Magnus in Trauer versinkt, findet sein Sohn in der Punkwelle, die Ende der 1970er-Jahre auch die verschlafene norwegische Provinz erreicht, Orientierung und - nach einigen Exzessen - schließlich sogar neuen Lebensmut.
Ausgerechnet die laute und destruktive Musik der Sex Pistols, die sich als Leitmotiv durch den Film zieht und durch ihre Wildheit auch den Erzählrhythmus prägt, ist für Nikolaj ein Rettungsanker. Denn während Magnus sein Leben strikt nach seinen Idealen ausrichtet, hebelt die Punkmusik jegliche Werte und Orientierungen geradezu aus, macht diese zunichte und wird damit zum Befreiungsschlag für Nikolaj. Augenzwinkernd vermischt der Regisseur Jens Lien so die persönliche Entwicklung seines Protagonisten mit einer Hommage an eine Musikrichtung und Jugendkultur - und findet in einer schönen Wendung schließlich zu einem versöhnlichen Schlusspunkt.
Mit dem für viele skandinavische Filme typischen skurrilen Humor, einem mitreißenden
Soundtrack und dem fließenden Übergang von Tragik und Komik erzählt
Sons of Norway vom Prozess des Erwachsenwerdens, der hier allerdings nicht durch Verbote, sondern durch überverständnisvolle Eltern erheblich erschwert wird. Damit zeigt der Film - ganz ähnlich wie
Sommer in Orange (Marcus H. Rosenmüller, Deutschland 2011) - ein klassisches Thema des Coming-of-Age-Genres aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Dadurch regt er zum Nachdenken darüber an, warum die Abgrenzung von seinem Vater für Nikolaj so wichtig ist und warum dessen Ideale ihm kaum Raum zur Entfaltung geben. Gerade die zugespitzten Darstellungen der Hippie- und Punkszene bieten zudem einen guten Ausgangspunkt für eine weitergehende Beschäftigung mit der Geschichte der Jugendkulturen und eine Analyse der Musik in diesen Szenen.
Autor/in: Stefan Stiletto, 04.07.2012
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