Bilal, ein 17-jähriger Kurde aus dem Irak, ist seit Monaten auf der Flucht. Er folgt seiner großen Liebe Mina, die mit ihrer Familie nach London emigriert ist. Doch an der Nordküste Frankreichs wird der Junge an Bord eines Flüchtlingsschleppers erwischt. Mit unzähligen Leidensgenossen sitzt er in der französischen Hafenstadt Calais fest. Bilal gibt jedoch nicht auf und entwickelt einen wagemutigen Plan: Er will den Ärmelkanal durchschwimmen. In einem örtlichen Hallenbad beginnt er dafür zu trainieren und lernt dort den Schwimmlehrer Simon kennen. Zunächst nur widerstrebend und um seiner Ex-Frau zu imponieren, unterrichtet Simon den jungen Migranten. Nach und nach aber freundet er sich mit Bilal an und gerät dabei in Schwierigkeiten mit dem Gesetz.
Leise, sensibel und beklemmend authentisch schildert
Welcome die verheerende Situation illegaler Einwanderer/innen im weitläufigen Hafengebiet von Calais. Geschickt verschränkt Philippe Lioret dabei die Biografien zweier unterschiedlich sozialisierter Männer, die nach Überwindung ihrer anfänglichen Distanz gemeinsam gegen die Einsamkeit und für ein selbstbestimmtes Leben kämpfen. Ruhige Bilder mit überwiegend blauen und grauen
Farbtönen unterstreichen die kalte Atmosphäre an einem Ort, an dem humanitäre Hilfe kriminalisiert wird.
Lange Kameraeinstellungen unterstreichen den Ton der Nachdenklichkeit und Melancholie. Mit ihrem präzisen Spiel geben die erstklassigen Darsteller tiefe Einblicke in das Seelenleben ihrer Figuren. Blicke und Gesten sagen dabei mehr über ihre Nöte, Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen als die sparsam eingesetzten Dialoge.
In der filmpädagogischen Arbeit empfiehlt es sich generell über Migrationspolitik in Europa und damit verbundene Diskurse wie etwas die "Drittstaatenregelung" und die "Festung Europa" zu diskutieren. Auch ließe sich auf die Bedeutung der jüngeren Geschichte des Ortes Calais mit Blick auf Migration eingehen. Davon ausgehend können Vergleiche zwischen der deutschen und französischen Zuwanderungspolitik gezogen werden. Zudem ergeben sich angesichts der großen Resonanz, die der Film erhielt, Diskussionsansätze über die Chance der Medien: Nachdem
Welcome sogar im französischen Parlament gezeigt wurde, wollten viele Politiker/innen das Gesetz modifizieren, das Flüchtlingshilfe unter Strafe stellt. Einen wichtigen Beitrag leistet der Film auch zu den Themen Zivilcourage und Nächstenliebe: Trotz Sanktionen besitzt Simon den Mut, dem jungen Kurden zu helfen und setzt damit der Arroganz und Gefühlskälte seiner Umgebung die Kraft der Freundschaft entgegen.
Autor/in: Kirsten Liese, 02.02.2010
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