Held im Hemd
John McClane ist zurück. Dieser ganz besondere Police Detective muss seinem Publikum nicht mehr vorgestellt werden – als unverkennbares Markenzeichen genügt ein Unterhemd, dem die folgenden zwei Stunden, ebenso wie seinem Träger, schwer zusetzen werden. Wie im ersten Teil der legendären
Stirb langsam-Serie kämpft McClane für sein Land und seine Familie als proletarischer Held in einer viel zu modernen Welt. Ausgerechnet am 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, stürzen unbekannte Terroristen/innen die USA in blankes Chaos. Der Angriff erfolgt nicht mit Bomben und Gewehren, sondern über den Computer: Verkehrswege, Stromversorgung, Kommunikations- und Verteidigungssysteme erleiden den finalen Kollaps. Viel zu spät erkennt der Staat seine Verwundbarkeit. Doch selbst wenn die digitalen Netze zusammenbrechen, bietet ein raubeiniger Ritter der analogen Welt Halt und Hoffnung: John McClane. Eine Routinekontrolle bei einem jugendlichen Hacker zieht ihn mitten ins Geschehen und sorgt dafür, dass er zwölf Jahre nach seinem letzten großen Einsatz wieder durch Glasscheiben hechtet, hypermoderne Gebäude demoliert und am Ende seinen großen Gegenspieler zur Strecke bringt. McClane ist mal wieder "zur falschen Zeit am falschen Ort", also goldrichtig.
Gemeinsam alt werden
Stirb langsam 4.0 (Len Wiseman) ist bereits der vierte Teil der Serie und passt doch nicht ganz in das Muster typischer Sequels, denn der von Bruce Willis mit jeder Hautfaser verkörperte Action-Held hat mittlerweile die Fünfzig überschritten. Richten sich Sequels normalerweise an ein junges Publikum, das die Protagonisten/innen vom letzten Sommer möglichst unverändert wiedererleben möchte, so zielt dieser Film eher auf jene Generation, die mit dem Helden ihrer Jugend alt geworden ist – ohne freilich die Jungen ganz verschrecken zu wollen. Im Prinzip ändert sich dadurch nicht viel. McClane ist ganz der Alte, wenn auch deutlich ruhiger und wortkarger. Ohne nennenswerte dramaturgische Einführung ins Rennen geschickt, erledigt er seinen Job, "weil es sonst kein anderer tut".
Unveränderliche Charakteristika
In der neuen Folge zeigt sich aber auch die erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Figur. Schon in
Stirb langsam (John McTiernan, 1988) sowie den Nachfolgern
Stirb langsam 2 (Renny Harlin, 1990) und
Stirb langsam – Jetzt erst recht (John McTiernan, 1995) bildete dieser John McClane einen Gegenpol zum opaken Körperpanzer eines Arnold Schwarzenegger ("Terminator"). Die – körperliche wie seelische – Verletzlichkeit des geschiedenen Cops mit Flugangst wurde geradezu zelebriert. Im Vergleich zu den auch nun wieder erlittenen Verletzungen ist das Alter eine vernachlässigbare Größe. Zusätzlich hilft ihm jene Ironie, durch die der damalige Regisseur John McTiernan das Genre geradezu revolutionierte: Zum "Action-Film für Leute, die keine Action-Filme mögen" wurde
Stirb langsam nicht zuletzt durch einen Polizisten, der eher unfreiwillig in den Kampf zieht.
Auch die Handlungsmotive spinnen den Geist der Serie nahtlos weiter, ohne sich allzu plump zu wiederholen. McClanes ständiger Kampf mit dem Fortschritt ist dafür bester Garant. Schon immer stand er mit der modernen Technik auf Kriegsfuß – und musste sich ihrer zugleich bedienen, um sie zu besiegen. Mit den damals neuen Handys im zweiten und dritten Teil kam er gerade noch alleine zurecht. Nun, zum Eindringen in digitale Datennetze, benötigt er mit dem Hacker Matt Farrell einen jugendlichen Helfer. So erhält neben dem älteren auch das junge Publikum seine Identifikationsfigur.
Korrektiv der Terrorismusdebatte
Stirb langsam 4.0 ist jedoch nicht nur der erste McClane-Film im Internet-Zeitalter, sondern zugleich sein erster Einsatz nach den Anschlägen des 11. September 2001. Man konnte gespannt sein auf einen möglichen Wandel im Terroristenbild als Gradmesser amerikanischer Befindlichkeiten. Erstaunlicherweise kehrt der Film auch hier zu den Anfängen zurück. Die deutschen Terroristen des ersten Teils waren in Wahrheit banale Geldräuber. Bei dem neuen Gegenspieler Thomas Gabriel handelt es sich um einen ehemaligen Hacker, der vordergründig einer persönlichen Rache nachgeht: Er selbst hat das elektronische Anti-Terror-System im nationalen Auftrag konstruiert, fühlt sich aber um seine gerechte Anerkennung gebracht. Doch auch Gabriel bedient sich seiner üblen Methoden vor allem, um sich zu bereichern. Dazu beschäftigt er eine vielsprachige Armee einheimischer und ausländischer Helfer/innen, die jeden Bezug zur aktuellen realen Terrorgefahr vermissen lässt. So wirkt der Film weniger als Kommentar, denn als cooles Korrektiv zu den überhitzten Diskussionen unserer Zeit.
Ergebnis eines Reifeprozesses
Aber auch wenn die Fortsetzung einem Remake – oder Update – näher kommt als einem Sequel, konnte sich Regisseur Len Wiseman doch nicht ganz darauf beschränken, alte Formeln weiter zu spinnen. Dass McClane die Entführung seiner Tochter nicht tatenlos hinnimmt, wird nicht verwundern; aber zur Vaterliebe gesellt sich angesichts fundamentaler Bedrohung nun auch eine Vaterlandsliebe, die neu ist. Schon immer stand dieser treue Staatsdiener für amerikanische Werte, jetzt erst ist er gezwungen sie auch in klaren Worten zu formulieren: "Es geht nicht um ein System, sondern um ein Land und seine Menschen." So ernsthaft und ehrlich, wie Willis das vorträgt, legt man ihm das kaum als ideologischen Appell aus. Eher schon als Ergebnis eines Reifeprozess, den er auch der amerikanischen Nation nahe legt. Und die Ironie? Die ist von den Dialogen (das berühmte "Yippie-Ay-Yeah, Schweinebacke" fällt nicht) abgewandert in eine Form von Action, die sich eigentlich kaum mehr ernst nehmen lässt. Wer sonst außer John McClane könnte glaubhaft Helikopter mit dem Auto abschießen? Höchstens Bruce Willis persönlich, der Mann ohne Double und Spezialeffekte, der Held im Hemd.
Autor/in: Philipp Bühler, 10.07.2007