Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet den Dokumentarfilm
Zwischen den Stühlenvon Jakob Schmidt aus mit dem Prädikat "besonders wertvoll" aus. Wer sich für das fünfjährige Lehramtsstudium und das zweijährige Referendariat an einer Schule entschließt, bringt oft eine Menge Idealismus mit. So auch die Mitwirkenden des Dokumentarfilms, die im Februar 2013 den Schuldienst an einem Gymnasium, einer Grundschule und einer Integrierten Sekundarschule (ISS) in Berlin antreten. Es dauert nicht lange, bis der Unterschied zwischen eigenem Anspruch und Realität deutlich wird. Ralf Credner etwa möchte seinen Schülerinnen und Schülern anhand von Hermann Hesses "Unterm Rad" eine systemkritische Perspektive ermöglichen. Doch die Kinder sind überfordert und schnell gelangweilt. Anna Kuhnhenn bekennt, sie könne mit "Autorität" nichts anfangen, muss aber feststellen, dass ihre Erst- und Zweitklässler/-innen Vernunftargumenten gegenüber kaum zugänglich sind. Ähnliche Erfahrungen macht auch Katja Wolf mit den höheren Klassenstufen der ISS. Wie der Filmtitel verdeutlicht, befinden sich der Referendar und die beiden Referendarinnen in der ambivalenten Situation, vor den Schülerinnen und Schülern als Lehrende, vor ihren Seminarleiterinnen und -leitern als Auszubildende aufzutreten.
In der Jurybegründung heißt es: "Schmidt erzählt sehr filmisch, mit Aufnahmen, bei denen der Kameramann ein gutes Auge für Details hat und die mehr erzählen können als ein Text im Off, auf den Schmidt ganz verzichtet. Der Film nimmt sich zudem Zeit für längere Sequenzen, die nötig sind, um deutlich zu machen, welchem Druck die Protagonisten standhalten müssen. Auf einer anderen Ebene wird hier auch von den Fehlentwicklungen des deutschen Schulsystems erzählt. Ein Lehrer bringt dies auf den Punkt, wenn er sagt, dass heute in den Schulen nur die Mittelmäßigen gefördert werden. Ein brillanter Jugendlicher wird da genauso wenig gefördert wie ein Schüler mit Lernproblemen. Diese Problematik wird auch dadurch gespiegelt, dass der Gymnasialreferendar in seinen Deutschstunden den Roman „Unterm Rad“ von Herman Hesse durchnimmt, in dem davon erzählt wird, wie in einer deutschen Schule die jungen Menschen „wie ein Urwald“ kultiviert und normiert werden sollen. Er diskutiert darüber nicht nur mit der Klasse, sondern zitiert später auch aus dem Buch, um seine eigene Situation zu beschreiben. Der Film ist gefüllt mit solchen klugen und überraschenden Reflexionen und Spiegelungen. Dazu zählen auch schön gewählte Detailaufnahmen aus den Schulräumen, wie etwa von einem Käfig, in dem ein Hamster im Laufrad gezeigt wird. So überrascht der Film immer wieder dadurch, dass er neue Aspekte und Perspektiven in den Film einführt, ohne dabei je den Blick auf seine drei Helden zu verlieren. Eine von ihnen fragt sich, ob sie den Stress dieses Berufs für die nächsten 35 oder auch nur 5 Jahre aushalten wird. Nach diesem Film wüsste das Publikum dies auch gerne. Jakob Schmidt hat hier den sehr fruchtbaren Keim für eine über Jahrzehnte gehende Langzeitbeobachtung gelegt. "