Zum 60. Jubiläum der Internationalen Filmfestspiele Berlin werden neben Welturaufführungen und Premieren verstärkt auch Filmklassiker im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen: In der Sektion Retrospektive blickt das Festival mit einer umfangreichen internationalen Filmauswahl auf die eigene Historie zurück. Die Sektion Hommage ist zudem dem renommierten Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und der Schauspielerin Hanna Schygulla gewidmet, beide herausragende Persönlichkeiten des deutschen Films. Und nicht zuletzt erlebt Fritz Langs Stummfilmklassiker
Metropolis (Deutschland 1926) 83 Jahre nach seiner Uraufführung am 10. Januar 1927 in Berlin nun auf der diesjährigen Berlinale in der restaurierten Originalfassung eine zweite Premiere – eine Sensation.
Mit einem ausgesuchten Klassikerrepertoire wirft die diesjährige Berlinale Schlaglichter auf prägnante Abschnitte unserer Zeit- und Filmgeschichte – eine spannende Herausforderung für die Bildungsarbeit. Denn wie die Literatur
Metropolis (Foto: Murnau-Stiftung)
hat auch das Kulturerzeugnis Film unsere Sichtweise auf die Welt geprägt und erweitert. Film reflektiert immer auch die gesellschaftlichen, historischen und politischen Befindlichkeiten der jeweiligen Zeit und des Entstehungskontextes. Doch filmhistorisches Wissen erscheint – zumindest im Schulbereich – noch immer als vernachlässigtes Stiefkind. Die Arbeit mit wertvollen Filmproduktionen jenseits der aktuellen Kinostarts ist ein Vermittlungsbereich, der pädagogisch unter anderem wegen Fragen der Verfügbarkeit und der Rechtessituation noch wenig erschlossen ist. Viele Schüler/innen finden keinen Zugang zu älteren Filmen, die häufig als langweilig oder uninteressant abgetan werden. Schwarzweißmaterial, Stummfilme, andere, oftmals langsamere Erzählrhythmen, die Abwesenheit aufwendiger Spezialeffekte – all dies fordert heutige Seherwartungen heraus. Neben dem formal Ungewohnten erschwert das fehlende Wissen über die zeitgeschichtliche Einordnung und Bedeutung der Filme den Zugang. Entsprechend verfügen die meisten Kinder und Jugendlichen über keine oder lediglich rudimentäre filmhistorische Kenntnisse. Doch damit fehlen ihnen fundamentale Bausteine für ein umfassenderes kulturelles Verständnis der Kunstform Film. Mehr noch: Es mangelt auch am notwendigen Basiswissen zur Interpretation und zum Verständnis neuerer Filme, die ja oftmals ästhetisch oder motivisch auf Klassiker rekurrieren. Diese Lücke will kinofenster.de mit seinen Vorschlägen zur Bildungsarbeit mit Filmklassikern anlässlich der Internationalen Filmfestspiele Berlin 2010 – zumindest ansatzweise – schließen.
Das Dossier stellt eine Auswahl von Klassikern, die sich für den Unterricht eignen, vor. Ziel ist es, das Verständnis für zeitgebundene Ästhetik zu fördern, stilbildende Einflüsse transparent zu machen, historische und zeitübergreifende Kontexte herzustellen und damit Lust auf das Erlebnis Filmklassiker zu machen. Ein ganz besonderes Ereignis ist während der Berlinale die Welturaufführung der restaurierten Fassung von
Metropolis, einem der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte mit wegweisendem Einfluss auf Stile, Effekte und Themen der Kinematographie. Interessante Anknüpfungspunkte, quer durch die Genres und Jahrzehnte, aus Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, der DDR sowie den USA, bieten auch die in der Retrospektive und der Hommage der Berlinale vertretenden Filme
Lohn der Angst (Le salaire de la peur, Henri-George Clouzot, Frankreich, Italien 1953),
Berlin – Ecke Schönhauser (Gerhard Klein, DDR 1956),
Außer Atem (À bout de souffle, Jean-Luc Godard, Frankreich 1960),
Die durch die Hölle gehen (The Deer Hunter, Michael Cimono, USA 1977) und
Die Ehe der Maria Braun (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1979). Mit dem Blick von heute schaut kinofenster.de auf Filme von gestern, um zu ergründen, was ihre Strahlkraft ausmacht, warum sie noch immer anhält und wie mit ihnen im Schulunterricht gearbeitet werden kann.
Autor/in: Ula Brunner, freie Publizistin und Redakteurin bei kinofenster.de, 27.01.2010
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