Gong Li ist eine Filmschauspielerin aus der Volksrepublik China. Zugleich ist sie ein Weltstar. Bei der Berlinale 2000 saß sie der Internationalen Jury vor. Sie war die von allen Kameras gesuchte Attraktion der Eröffnungs-Gala der Filmfestspiele von Cannes im selben Jahr. Ihr Portrait prangte längst auf den Titelseiten von "Time Magazine" und "Der Spiegel". Die Karriere von Gong Li ist kennzeichnend für die Bedeutung des chinesischen Kinos in der Jahrtausendwende. Es ist ein Kino, das innerhalb von rund 15 Jahren die Welt erobert hat – und zwar von der Ausgangsposition eines nahezu weißen Flecks auf allen cineastischen Landkarten.
Die Filmproduktion der Volksrepublik China hat somit Anteil am wirtschaftlichen Aufbruch des Landes, der mit dem Ende der so genannten Viererbande im Jahr 1977 und den anschließenden Reformen Deng Hsiao-p’ings eingeleitet wurde. Es ist der spannungsreiche Versuch, kommunistische Diktatur mit kapitalistischer Marktwirtschaft zu verbrüdern. In Beijing, Shanghai oder der Sonderwirtschaftszone Shenzhen wachsen Gebäude mit den Fassaden der Postmoderne in den Himmel. Doch in Teilen dieser Städte, erst recht in der tiefen Provinz, wird das Leben des 19. Jahrhunderts geführt. Elemente westlicher Kultur dringen mit Fast-Food-Ketten und Hollywood-Blockbusters in die konfuzianischen Traditionen des Landes ein. Zugleich übt die chinesische Staatsführung rigorose Zensur, wenn sie sich von Hollywood durch Streifen wie Sieben Jahre in Tibet oder Kundun beleidigt fühlt.
Nach dem Ende der Kulturrevolution im Jahr 1977 haben zuerst die Literaten und Filmemacher auf die Umbruchstimmmung reagiert. Die Vertreter der so genannten "Fünften Generation" in der chinesischen Regie-Ausbildung traten in den 80er Jahren mit Filmen hervor, die den sozialistischen Realismus weit hinter sich ließen und zwischenmenschliche, soziale und historische Konflikte zu Themen nahmen. Eine Zeit lang ermöglichte die neue chinesische Filmpolitik Koproduktionen mit Taiwan und Hongkong, noch vor seiner Rückkehr aus britischer Verwaltung in die Volksrepublik. Die meisten dieser im Westen erfolgreichen Regisseure hatten jedoch in der VR China Probleme. Ihre Filme wurden zensiert, zum Teil über Jahre zurückgehalten oder ganz verboten.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat die "Fünfte Generation" der Beijinger Filmschule (inzwischen abgelöst von einer pragmatischeren, urbanen "Sechsten Generation") die Volksrepublik China zu einem der interessantesten Film-Länder gemacht. In Deutschland wurde man auf diese Entwicklung aufmerksam, als 1988 Zhang Yimous
Das rote Kornfeld auf den Berliner Filmfestspielen lief und mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde. Auf der Berlinale 2000 wurde Zhang Yimous jüngste Arbeit
The Road Home wiederum mit Preisen dekoriert. Sein vorletzter Film
Keiner weniger bekam 1999 den Goldenen Löwen von Venedig. Beide Streifen entstanden in Koproduktion mit der "Asian Präsentation" des Hollywood-Studios Columbia Pictures. Das zeigt, dass die Weltmetropole des Kinos die ästhetischen Leistungen chinesischer Filmemacher inzwischen nicht nur anerkannt hat. Sie verspricht sich von ihnen offensichtlich auch kommerziellen Erfolg. Gründe genug, dem Filmland Volksrepublik China mit Neugier zu begegnen.