"Ich freue mich, dass es dir gut geht", sagt Rita zu ihrer alten Freundin Friederike, die sie nach Jahren zufällig getroffen hat, mit nettem Mann und niedlichem Kind. "Wie kommst du darauf?" entgegnet Friederike und wirft Rita einen Blick zu, der verzweifelter nicht sein könnte. Eine kleine Episode im Film, die sich erst aus dem Zusammenhang erschließt: Rita und Friederike sind sich in der DDR der 80er Jahre wiederbegegnet und das Ungewöhnliche daran ist, dass sie beide als westdeutsche Exilantinnen und als ehemalige Terroristinnen dort leben und offenbar nicht immer glücklich sind. Tatsächlich haben einige der früheren RAF-Mitglieder in den 70er Jahren in der DDR Asyl gesucht. Sie fanden dort – mit Wissen des Staatssicherheitsdienstes und von diesem geschützt – unter anderen Namen und mit gefälschten Lebensläufen den Weg zurück in einen fast normalen, kleinbürgerlichen Alltag.
Fiktiv und doch wahr
In seinem neuen Film hat sich Volker Schlöndorff an diesen Biografien orientiert. Er erzählt aber eine fiktive Geschichte, die sich so oder ähnlich zugetragen haben könnte: Rita Vogt wird steckbrieflich gesucht. Sie hat einige Banküberfälle zur "gerechteren Umverteilung des Kapitals" und nicht für die eigenen Bedürfnisse begangen und geholfen, ihren Freund aus dem Gefängnis zu befreien, wobei dessen Anwalt aus Versehen erschossen wurde. Danach wendet sie sich von den Genossen und der Gewalt ab und taucht in der DDR unter, wo sie als Fabrikarbeiterin in einer Plattenbausiedlung ein unauffälliges Leben mit den üblichen kleinen Freuden, Verliebtheiten und Leiden lebt. Als sie über eine Fahndungsmeldung des Westfernsehens erkannt wird, muss sie erneut den Namen und ihre Identität wechseln. Dann fällt die Mauer und nun ist auch Rita Vogts drittes Leben gefährdet.
Terrorismus
"Das waren die heiteren Jahre", hört man Ritas Stimme aus dem Off, während lustig maskierte junge Leute eine Bank überfallen und dabei Negerküsse verteilen. Und wenn Rita wenig später eine ganze Tasche erbeuteten Kleingelds in den Hut eines Bettlers entleert, dann ist diese Darstellung des Terrorismus sehr oberflächlich, geradezu banal. Man versteht weder das Anliegen noch die Aktionen dieser jungen Menschen, die ursprünglich angetreten sind, um sich gegen bestimmte Entwicklungen in der Gesellschaft zu wenden, die ihre Finger zielsicher auf die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems in seiner bundesdeutschen Ausprägung legten, die lautstark eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus forderten und sich schließlich gar vorgenommen hatten, das gesamte Unrecht der Welt zu benennen und zu bekämpfen. Doch dann haben sie nur noch Terror verbreitet.
Alltag in der DDR
Aber es ist nicht Volker Schlöndorffs Anliegen, die Geschichte des Terrorismus zu erzählen – mit diesem Thema hat er sich bereits in
Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974) auseinander gesetzt und sich damals direkt in die politische Diskussion eingemischt. Vielmehr erzählt er jetzt vom Alltag in der DDR zwischen Konsum und Gartenfesten, von Betriebsfeiern und Auszeichnungen, vom Ferienlager an der Ostsee, von kleinen Freuden, die eigentlich große sind und von dem ganz dringenden Wunsch nach Normalität und Unauffälligkeit. Rita Vogt stürzt sich zunächst voller Begeisterung in ihr neues Leben, denn schließlich hat sie nicht nur dem bewaffneten Kampf den Rücken gekehrt, sondern sie ist auch überzeugt davon, im besseren Teil Deutschlands gelandet zu sein. Und Schlöndorff gelingt eine sehr überzeugende Darstellung dieses über weite Strecken unbeschwerten Alltags, wie ihn viele DDR-Bürgerinnen erlebt und akzeptiert hatten. Man wird Volker Schlöndorff vermutlich nicht lieben für diesen Film, der eine andere DDR zeigt als die Ostkomödien, aber das ist er schließlich gewöhnt.
Gescheiterte Biografie
Die ganze Aufmerksamkeit des Film gehört der Ex-Terroristin Rita, einer jungen Frau mit großen Idealen, die versucht hat, in der DDR ihr Leben und ihre politischen Vorstellungen in Einklang zu bringen und nach einer Phase der Rebellion im Westen bereit war, sich auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten im Osten Deutschlands einzulassen. Sie scheitert jedoch an ihrer Vergangenheit, an den politischen Verhältnissen im "Kalten Krieg", an dem Umstand, in letzter Konsequenz kein wirklich "normales" Leben mehr führen zu können, weder im einen, noch im anderen Teil Deutschlands. Das macht die besondere Tragik dieser Figur aus, der sich Schlöndorff eher in teilnehmender Beobachtung als in scharfer Analyse ihrer Person nähert. Dennoch stimmt der Film nachdenklich über die deutsch-deutschen Verhältnisse und nebenbei auch über den RAF-Terrorismus.
Autor/in: Daniela Sannwald, 01.09.2000