Das Interview führte Margret Köhler.
Was reizte Sie an der Verfilmung des Romans von Mario Giordano?
Ich habe "Black Box" in einer Nacht verschlungen.
Das Experiment hat alles – Spannung, Glaubwürdigkeit, Emotionalität und starke Figuren. Die Geschichte, die auch in Deutschland stattfinden könnte, zeigt die dunkle Seite unserer Seele, die nur schwer zu kontrollieren ist.
Was heißt Glaubwürdigkeit für Sie?
Dass man von Figuren erzählt, die sich aus sich selbst entwickeln und eine Spannung in sich tragen, die wie im wirklichen Leben übertragbar sind, keine klischeehaften Gestalten, die schlaff im Plot hängen. Ich will eine Verbindung zum Zuschauer herstellen.
Ihr Film zeigt den Menschen als manipulierbares Wesen. Zu welchem Menschenbild tendieren Sie?
Für mich ist der Mensch an sich gut. Aber ich weiß natürlich auch aufgrund der eigenen Lebenserfahrung, dass jeder Mensch seinen persönlichen Abgrund hat und dass er bestimmten Extremsituationen sehr viel näher ist, als er glaubt. Das zeigt der Film.
Ist Das Experiment ein Film gegen Gewalt oder erklärt er die Genesis von Gewalt?
Gewalt ist untrennbar mit Menschheit und Evolution verbunden. Eine Erklärung können wir nicht geben, wir zeigen, was passiert, wenn man nicht aufpasst, verantwortungslos oder feige handelt, wie die Spirale der Gewalt entsteht.
Wieso haben sie die Handlung auf die Spitze getrieben?
Wenn man anhand solcher Figuren in einer Extremsituation darstellt, wie diese Spirale – einmal losgetreten – funktioniert, dann muss man das auch konsequent zu Ende erzählen. Die Realität überholt nicht selten den Film. Denken Sie an die Brutalität von Rechtsradikalen, die leider fast schon zum Alltag gehört. Wir glauben, Gewalt sei weit weg, dabei ist sie so nah.
Ist Ihr Film auch eine Kritik an wissenschaftlichen Methoden?
Forschung ist für den Fortschritt notwendig. Auf der einen Seite muss sie Risiken eingehen, um etwas Neues zu entdecken und zu entwickeln, auf der anderen gehen manche Experimente nicht selten über ethische Grenzen hinaus. Es wäre blauäugig zu glauben, Wissenschaftler seien objektiv, da gibt es wie überall auch Ehrgeiz, Karrieredenken, die Sucht nach Anerkennung – das kann auf Kosten der Menschlichkeit gehen.
Sie haben chronologisch gedreht ...
Das hat uns gerettet, die klaustrophobische Atmosphäre erst ermöglicht. Die tägliche Inselkonstellation von Schauspielern und Team verstärkte die Intensität. Nach zwei Tagen entwickelte sich am Set schon eine Gruppenkonstellation ähnlich der im Film. Auf der einen Seite saßen in den Drehpausen die "Wärter" zusammen, auf der anderen die "Gefangenen". Nur ganz selten mischten sich Mitglieder der beiden Gruppen.
Welche Funktion hat die Liebesgeschichte?
Die weibliche Figur dient als Gegengewicht zur Männerwelt. Es war mir wichtig, ein Moment aus dem ganz normalen Leben einzubringen, damit immer klar ist, draußen existiert noch eine andere Welt, es gibt nicht nur die des Experiments. In diesen Momenten kann der Zuschauer Atem schöpfen, sonst wäre die Spannung wahrscheinlich unerträglich.
Nach preisgekrönten TV-Movies wie Todfeinde, Das Urteil oder Trickser ist Das Experiment Ihr erster Kinospielfilm. Was reizt Sie am Filmemachen?
Ich übe das älteste Handwerk der Welt aus, ich erzähle Geschichten – bunte, spannende, mitreißende. Das haben die Menschen schon am Lagerfeuer gemacht. Fernsehen und Kino unterscheiden sich in der Arbeit wenig, dagegen aber in der Wahrnehmung. Kino versinnbildlicht viel stärker die Lagerfeuersituation. Wenn vorne jemand etwas erzählt, steht man eben nicht auf, da herrscht ein anderes Rezeptionsverhalten. Ideal wäre es, den Zuschauer zwei Stunden aus seiner Welt in eine andere Welt zu entführen und alles andere um ihn herum vergessen zu lassen. Er sollte etwas mitnehmen, was ihn beschäftigt, berührt oder zum Nachdenken anregt.